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DEGGENDORF/PLATTLING: Anton Hofreiter: Ein urgrüner Öko

DEGGENDORF/PLATTLING

Anton Hofreiter: Ein urgrüner Öko

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    Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, am Donau-Ufer
    Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, am Donau-Ufer Foto: Foto: Benjamin Stahl

    Die rot-blonden Haare kleben im schweißnassen Gesicht. Anton Hofreiter schnauft schwer. Kein Wunder: Eine dunkle Jeans und ein weißes langärmeliges Hemd scheinen nicht unbedingt die richtige Kleidung für eine Kanu-Tour auf der Donau im Hochsommer zu sein. Und ein bayerischer Adonis ist der Chef der Grünen im Bundestag auch nicht gerade. Eher eine männliche Bavaria. Doch dafür ist der gebürtige Münchner kein schlechter, sondern ein überraschend ausdauernder Paddler – er macht das auch nicht das erste Mal. „Im Bundestag ist es einfacher als mit euch“, ruft er der Handvoll Journalisten, die an diesem heißen Tag ausnahmsweise einmal im selben Boot mit ihm sitzen, zu, „da hat man es nicht nur mit Anfängern zu tun.“

    Erst seit Oktober vergangenen Jahres ist der 44-Jährige Fraktionsvorsitzender der Grünen. Insofern ist er also selbst Anfänger, aber Hofreiter teilt eben auch mal gern aus – vor allem gegen politische Gegner. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zum Beispiel, dessen Konzept für eine Pkw-Maut er gern als „völligen Schmarrn“ bezeichnet, kann ein Lied davon singen. Oder der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko, der Hofreiters Co-Fraktionsvorsitzender Katrin Göring-Eckart während einer Debatte vorwarf, faschistische Tendenzen in der ukrainischen Regierung verharmlost zu haben. „Sie haben doch überhaupt keinen Anstand! Sie erklären hier den demokratischen Teil des Parlamentes zu Faschisten!“, blaffte Hofreiter. Doch der Grüne kann auch einstecken. Muss er auch.

    Für seinen Start als Nachfolger Jürgen Trittins an der Spitze der Fraktion bekam er nicht die besten Noten. Zu hemdsärmelig ist er den einen, zu blass den anderen. Die Außenwirkung stimme nicht, heißt es angeblich selbst im bayerischen Landesverband. Hinzu kam eine Mini-Affäre um hinterzogene Steuern für seine Zweitwohnung in Berlin.

    „Dass du dich da her traust!“, ruft ihm auf dem Weg zu den Kanus am Bootshaus in Deggendorf eine ältere Frau aus einem Schrebergarten entgegen. Hofreiter nimmt es gelassen, grüßt nett und geht weiter. Warum sollte er sich an solch einem Tag auch ärgern lassen? „Heute endlich mal keine Scheißpolitik“, freute er sich auf die Tour auf der Donau, dem Fluss, den er unbedingt vor einem weiteren Ausbau schützen will.

    „Der Langhoarade“, zischt es noch über den Gartenzaun. Aber dass sich manche an seinen langen Haaren stören, die weder zur Münchner Schickeria noch ins Berliner Regierungsviertel so richtig passen wollen, ist Hofreiter egal. Frisur und Bart trage er auch nicht, um das Image eines urgrünen Ökos willen, sondern „weil's mir gefällt“, sagt er. Dass das manche nicht glauben, stört ihn nicht. Was ihn stört, ist, dass oft außer seiner Haarpracht nicht viel von ihm in Erinnerung bleibt.

    Bewusst oder unbewusst – Hofreiter pflegt das Öko-Image. Trotz der Anstrengung des Paddelns hat er genug Luft für ein kurzes Referat über Nilgänse, die er am Himmel ausgemacht hat. Die Donau scheint der perfekte Platz für Hofreiter zu sein, denn da kommen zwei seiner Lieblingsthemen zusammen: Umwelt und Verkehr. „Flüsse sind nicht nur Verkehrswege, sondern haben auch eine ökologische Funktion“, referiert er und blüht dabei auf. Er wirkt zufrieden und authentischer als im Anzug. Einen solchen hat er übrigens in einem wasserdichten Segelsack dabei. Denn ganz ohne Politik geht es dann doch nicht: Das ZDF hat Hofreiter für den Abend für ein Interview angefragt. Und vor der Kamera muss sich der ungezähmte Naturbursche „Toni“ wieder in den Fraktionschef Hofreiter verwandeln. Immerhin: Es geht um das Dauerthema Maut.

    Einen kompetenteren Gesprächspartner hätte man sich für den verkehrspolitischen Zankapfel kaum aussuchen können. Schon in der letzten Legislaturperiode hatte man den Eindruck, dass Hofreiter, damals noch Vorsitzender des Verkehrsausschusses, an Format gewinnt – dank klarer Aussagen zur Diskussion um den Maut-Betreiber Toll Collect und die aufkeimende CSU-Idee zur Einführung einer Pkw-Maut nur für Ausländer. Doch geholfen hat ihm das scheinbar nicht viel.

    „Als Fachpolitiker interessiert, was du sagst. Als Fraktionschef, was du bist“, glaubt Hofreiter das Problem erkannt zu haben. Und ob er wirklich die geeignete Führungskraft ist, die die dringende Profilschärfung der Grünen dirigieren kann, bezweifeln einige. Im Vergleich zu dem erfahrenen und rhetorisch gewieften Trittin wirkt er führungsschwach. Im Boot auf seiner Donau ist er zwar eher Kapitän als Galeerensklave. Aber da sind auch die anderen die Anfänger, nicht er.

    Als es Zeit für eine Rast wird, navigiert er das Kanu an eine Kiesbank und watet durchs gut knöcheltiefe Wasser. Die hochgekrempelte Jeans gibt den Blick frei auf vernarbte Knöchel. Spuren aus seiner Forscherzeit, als er die Biodiversität in Südamerika untersuchte, ausrutschte und sich mit gebrochenem Wadenbein und Knöchel eineinhalb Tage durch den Regenwald schleppte. Eine Geschichte, die zur Legendenbildung beitragen könnte, doch Hofreiter geht sparsam mit solchen Anekdoten um.

    Im Biergarten „Zum rettenden Ufer“ kippt er eine Maß. Apfelschorle. Und wieder einmal wird er auf Trittin angesprochen. Der hat trotz des Debakels der Grünen bei der letzten Bundestagswahl große Fußstapfen hinterlassen: 59 Prozent der Deutschen glauben laut einer Forsa-Umfrage, dass den Grünen profilierte Politiker wie Joschka Fischer oder eben Trittin fehlen. Nur 40 Prozent gaben an, Hofreiter überhaupt zu kennen. Im Vergleich zu Trittin „bin ich einfach unbekannter“, weiß auch Hofreiter. „Musst halt mal für einen Skandal sorgen“, kommt ein nicht ernst gemeinter Rat vom Nebentisch. „Hab ich ja versucht“, scherzt Hofreiter in Anspielung auf die Affäre mit der Zweitwohnung.

    Die letzte Etappe führt die Paddler am späten Nachmittag ins niederbayerische Plattling. Dort strafen die Leute in einer Gaststätte die Umfragen Lügen. Viele erkennen Hofreiter, der hier nur „Toni“ heißt. „Viel Kraft“, wünscht ihm einer, „und gebt's der Regierung Gas.“ Hofreiters Braten-Bestellung zeigt, dass er kein Typ für einen „Veggie-Day“ ist, aber eben Öko: Die Rösti als Beilage will er nicht, weil sie aus der Tiefkühltruhe kommen. Deswegen nimmt er Bratkartoffeln. Danach mietet er sich für eine Stunde in einem kleinen Hotel ein. Duschen, Haare kämmen, den zerknitterten Anzug aus dem wasserdichten Segelsack kramen, glatt streichen, anziehen. Das Fernsehen hat schließlich den Fraktionsvorsitzenden angefragt.

    „Als Fachpolitiker interessiert, was du sagst. Als Fraktionschef, was du bist.“

    Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag

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