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„Das Wahlverhalten der Älteren wird sich verändern“

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„Das Wahlverhalten der Älteren wird sich verändern“

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    Was passiert eigentlich mit der Parteienlandschaft, wenn die Wähler immer älter werden? Sind die Senioren bald die wahlentscheidende politische Größe? Fragen an Richard Hilmer, den Chef des Berliner Wahlforschungsinstituts Infratest dimap.

    Die Bevölkerung wird immer älter – werden die Senioren bei Wahlen eine Macht?

    Richard Hilmer: Sie sind schon eine Macht. Immerhin umfasst die Rentnergeneration heute rund ein Viertel der Wahlberechtigten. Sie haben also gehörig Macht, unter anderem auch deshalb, weil Ältere in hohem Maße zum Wählen gehen. Das Gewicht von 25 Prozent wird dann vor allem wichtig, wenn die Älteren anders wählen sollten als die jüngeren Jahrgänge – das tun sie auch bereits.

    Wieso wählen sie anders – und wie könnte sich das Wahlverhalten weiter entwickeln?

    Hilmer: Die Älteren sind anders politisch sozialisiert. Die christlichen oder gewerkschaftlichen Milieus spielten früher eine ganz andere Rolle. Im Moment erleben wir, dass die 68er ins Rentenalter kommen. Das wird das Wahlverhalten der Älteren in den kommenden Jahren schon sukzessive verändern. Es gibt gewisse Jahrgangseffekte: Man bewegt sich nicht allzu weit von seiner einmal gefestigten Parteipräferenz weg. Und es ist nicht zu verkennen, dass Ältere andere Interessen und Bedürfnisse in der Gesellschaft haben, anders am Leben teilnehmen. Das kann sich irgendwann auch bemerkbar machen. Bislang lag es vor allem an der Wertegebundenheit, dass die Älteren anders wählen.

    Diese Entwicklungen haben mit dem demografischen Wandel also erst einmal nichts zu tun?

    Hilmer: Durch den Wandel selbst werden wir in den nächsten Jahren noch nicht allzu viele Veränderungen bekommen. Auch in zehn Jahren wird rund ein Viertel der Bürger im Rentenalter sein. Denn durch die Anhebung des Einstiegsalters wird der Anteil der Rentner in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren nicht steigen. Was steigen wird, ist die Bereitschaft einzelner Bevölkerungsgruppen, ihre Interessen stärker auch politisch zu bündeln und interessensbezogene Parteien zu wählen.

    Wie die Grauen?

    Hilmer: Wir haben es jetzt zum ersten Mal in Berlin erlebt, dass die Gruppe der Älteren sich in größerem Umfang einer Partei zugewendet hat, die sich gezielt die Interessen der Alten auf die Fahnen geschrieben hat. Berlin war auch früher schon Trendsetter – insofern muss man das ernst nehmen und genau beobachten, ob die „Grauen“ tatsächlich als Partei der Alten zunehmend eine Rolle spielen. Bei einem Anteil von vier Prozent schafft man zwar noch nicht den Sprung in den Bundestag, aber man ist eine Zählgröße und zieht Wähler von anderen Parteien ab.

    Von den Volksparteien.

    Hilmer: Wir finden bei den großen Parteien deutliche Unterschiede im Wahlverhalten, was die Altersstruktur betrifft. Vor allem die CDU, die zuletzt im Westen bei den Alten besonders stark war, litt in Berlin unter diesem Wähler-Abstrom. Wenn eine Partei für die ältere Generation stark wird, wäre das schon eine Schwächung für die großen Parteien.

    Wählen die Älteren in Zukunft nicht eher ganz unterschiedlich?

    Hilmer: Bislang tun sie es nicht. Die 60-plus-Wähler waren bislang eine ziemlich sichere Bank für die Volksparteien. In Berlin bröckelte zuletzt die Bastion. Es wäre für CDU wie für SPD schon sehr schmerzhaft, wenn sich jetzt auch die Wähler über 60 Jahre neuen Parteien zuwenden würden. Sicher ist, dass die Generationen, die jetzt ins Rentenalter kommen, nicht mehr so stark eingebunden sind in christliche oder gewerkschaftliche Milieus wie die heutigen 70-Jährigen. Das nimmt aber kontinuierlich ab. Es ist eine Mischung aus Generations- und Alterseffekten, die hier zusammenspielen. Generell sind die Älteren nicht mehr so bereit, ihre Parteipräferenzen zu wechseln, wie die jüngeren Wähler. Es sei denn, es kommt eine Partei, die sich auf einmal die erkennbar anderen Interessen der Älteren, sei es Renten- oder Pflegepolitik, auf die Fahnen schreibt.

    Die Zukunft der Volksparteien wird also schwierig?

    Hilmer: Ein ganz klarer Trend, dem sich die Volksparteien offenkundig nicht entziehen können.

    Mit welchen Themen könnten sie denn ältere Wähler halten?

    Hilmer: Mit spezifischen Interessen der Alten wie Rentenpolitik und stark wertegebundenen Themen wie Innere Sicherheit. Das ist ein Thema, das mit dem Alter gewinnt. Das Problem der beiden Volksparteien ist, dass sich die Ziele gerade in Hinsicht auf die Werte zwischen den Generationen durchaus widersprechen. Da kann es für Parteien – für die Union vor allem – zu erheblichen Konflikten zwischen unterschiedlichen Wählergruppen kommen.

    Erwarten Sie einen Generationenstreit?

    Hilmer: Bislang ist nichts erkennbar. Wenn es um Rentenkürzungen oder Ähnliches geht, schreien die Jüngeren fast genauso laut auf wie umgekehrt die Älteren aufschreien würden bei der Frage, ob man bei Investitionen in die Zukunft, zum Beispiel Bildung, sparen sollte. Die Klammer zwischen den Generationen funktioniert noch relativ gut bei uns.

    Zur Person

    Richard Hilmer Der 55-jährige gebürtige Münchner ist Geschäftsführer des 1996 gegründeten Wahl- und Politikforschungsinstituts Infratest dimap. 1996 erhielt das Berliner Infratest-Institut gemeinsam mit dem Bonner dimap-Institut von der ARD den Zuschlag für die Wahlforschung im Rahmen ihrer Wahlberichterstattung – dies war der Startschuss für die Gründung der gemeinsamen Gesellschaft Infratest dimap.

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