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Der Gastbeitrag: Piefke-Sein im Ösi-Land

Leitartikel

Der Gastbeitrag: Piefke-Sein im Ösi-Land

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    Peter Roos und Friederike Hassauer, Pendler zwischen Piefke- und Ösi-Land, auf dem Wiener Opernball.
    Peter Roos und Friederike Hassauer, Pendler zwischen Piefke- und Ösi-Land, auf dem Wiener Opernball. Foto: FOTO Anselmi

    Zum Glück haben wir gewonnen! Der deutsche Fußball am vergangenen Montag war fade, das Finale mit 1:0 befriedete aber auch endlich die seit Monaten geführte kulturpolitische Fehde Österreichs gegen den verfreundeten Nachbarn. Vor dem Match brachen die ansonsten klammheimlich gepflegten Abneigungen gegen „die Deutschen“ offen heraus. Schmäh und Charme, allzeit tourismusträchtig vermarktet, erwiesen sich als reine Maskerade.

    Politiker, A-, B-, C-Promis äußerten sich unverhohlen chauvinistisch gegen die Gegner, deren Nationalhymne beim sogenannten Freundschaftsspiel im Februar schon wütend ausgebuht, ausgepfiffen, ausgeschrieen wurde; des Landes prominentester Sportreporter bekannte ganz unösterreichisch direkt: „Wichtiger als ein EM-Sieg ist, die Deutschen zu schlagen!“

    Wochenlang wurde der Ösi-Sieg von Córdoba anno dazumal gegen die deutsche WM-Elf in Wort, Schrift und Bild traktiert. Die quasi-religiöse Litanei sollte den Wiener Wunderglauben bestärken, dass der heimische Soccer nach 30 Jahren (!) wieder einen Sieg über die Ungeliebten jenseits des Inns erringen möge. Sogar im Stephansdom wurde offiziell dafür gebetet! Gut-katholisches Voodoo made in Austria! Kaum ein Zeitungskommentar, der den Tor-Triumph von Argentinien damals nicht als Revanche für die Niederlage von Königgrätz rituell überhöhte. Damals, damals, 1866, als die Preußen den habsburgischen Feind vom Schlachtfeld fegten.

    Córdoba? Wo doch der Durchschnittsdeutsche diesen Ortsnamen für eine andere Spielart hält, Mädchen „Cordelia“ oder „Cordula“ zu rufen. Und für den Sportschau-Fan ist's eh nur der Fußpilz einer skurrilen Fußnote schwarz-rot-goldener Fußballgeschichte.

    So treibt der grüne Rasen alle Ressentiments heraus bis zur Raserei. Wer sich länger an der Donau aufhält als der landläufige Teuto-Touri, bekommt das derzeit täglich zu spüren: Supermarkt, Parkplatz, Schwimmbad – garstige Gesten, böse Blicke, blöde Bemerkungen. Bis zur bornierten Behauptung, ein Berliner sei der Adolf gewesen und nicht geboren in Braunau. Aber der Bonner Beethoven, der war „a echta Weana!“

    Woher nur rührt der ewige Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem großen Bruder im Norden? Das unendliche Schielen nach oben? Rivalisieren bis zum Geht-nicht-mehr! Nur, weil wir eben mal Weltmeister im Export und Dritter als Industrienation sind?

    Nicht einmal in Sachen EM wollte man von der WM lernen über diese ominöse Grenze hinweg, schwadronierte ohne Ende über Fanmeilen in der Metropole, statt sich halt jenseits alpiner Tellerränder an der Spree kundig zu machen, was dort in Sachen Ökologie, Ökonomie, Kultur und Kacke erfahren wurde. Warum engagierte man ohne Absprache eine subprofessionelle Security, die noch knapp vor Anpfiff ihre Mannschaft nicht komplett, geschweige denn eingeschult hatte? Leitsysteme? Verkehrslogistik? Stabsstellen? Bilanziert die Hoteliersvereinigung die EM-Pleite des Zimmerleerstands: „Wir haben dieselben Fehler gemacht wie die Deutschen bei der WM!“ Fesch samma.

    „Österreich-am-Ball“, das staatstragende Zentralorgan mit Hauptquartier direkt im Bundeskanzleramt, glaubte ja auch, das Großereignis jetzt in zwei Jahren organisieren zu können, wo doch „die depperten Deitschen“ sechs Jahre lang härteste Organisation geleistet haben – deren Perfektion erst den Glanz des deutschen Sommermärchens 2006 ermöglichte.

    Schade, schade, schade – wo doch Österreich ein hinreißend schönes Land sein kann! So schön, dass längst die türkischen Arbeitnehmer in Austria von den deutschen Malochern überholt wurden. Aber dass die Dösis sich darüber freuten, von den perfekten, penetranten, präpotenten Piefkes bekellnert zu werden – weit gefehlt! Schon fürchtet die ausländerfeindliche Neidgesellschaft nordische Überfremdung und wittert imperialistischen Zugriff auf Arbeits- und Studienplätze.

    Schade! Schade, schöne Alpenrepublik!

    Zur Person

    Friederike Hassauer und Peter Roos leben seit 17 Jahren im Spagat zwischen Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) und Wien. Friederike Hassauer (Jahrgang 1951) ist Lehrstuhlinhaberin an der Universität Wien, Peter Roos (Jahrgang 1950) arbeitet als Schriftsteller und Kulturkorrespondent der Wochenzeitung „Die Zeit“.

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