Nach Berechnungen des DGB musste der Staat im Vorjahr allein für Aufstocker mit mehr als 800 Euro Bruttoerwerbseinkommen rund 2,3 Milliarden Euro zuschießen. Nehme man noch die aufstockenden Leistungen für Teilzeitbeschäftigte mit einem Monatsverdienst von über 400 Euro hinzu, ergebe sich die Zahl von 4,4 Milliarden Euro. „Hartz IV ist auch ein staatlich finanziertes Sicherungssystem für Erwerbstätige mit Niedriglöhnen“, betonte Adamy. Auf diese Weise würden letztlich Arbeitgeber subventioniert, die ihre Mitarbeiter zu Hungerlöhnen beschäftigten.
Ende des vergangenen Jahres gingen rund 1,3 Millionen Hartz-IV-Empfänger gleichzeitig auch einer Beschäftigung nach. Das waren mehr als ein Viertel aller Bedürftigen im erwerbsfähigen Alter. Obwohl im Zeitraum zwischen 2005 und 2007 die Zahl arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger um mehr als 19 Prozent zurückging, nahm der Anteil der Erwerbstätigen in diesem System deutlich zu. So stieg die Zahl der Aufstocker mit einem Minijob um 28 Prozent auf 684 000 Personen. Bei Bruttoverdiensten zwischen 400 und 800 Euro gab es sogar fast eine Verdoppelung auf knapp 231 000 Personen.
Auch die Zahl der Aufstocker mit einem Monatsbrutto von über 800 Euro legte um fast 40 Prozent auf rund 374 000 zu. Die Daten basieren laut Adamy auf Statistiken der Bundesagentur für Arbeit.
Hohe Dunkelziffer
Nach der DGB-Analyse hängt die Hilfsbedürftigkeit von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in erster Linie mit der Familiengröße zusammen. So seien Paare mit Kindern weit häufiger erwerbstätig als Alleinstehende und sie erzielten dabei auch meist höhere Einkommen. Durch das höhere Existenzminimum gelinge es ihnen jedoch viel seltener, aus dem Hartz-IV-System herauszukommen. „Rund 30 Prozent der bedürftigen Paare mit Kindern müssen sich Erwerbseinkommen anrechnen lassen. Bei den Alleinstehenden betrifft dies nur 20 Prozent“, so Adamy.
Dabei hätten noch weit mehr Geringverdiener Anspruch auf ergänzende staatliche Leistungen. Das ergebe sich aus einer Expertise des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die auf große Abweichungen zwischen Leistungsberechtigten und tatsächlichen Leistungsempfängern verweise. „Vor allem bei Haushalten mit Vollzeitbeschäftigung ist die Dunkelziffer derjenigen sehr hoch, die ihre Ansprüche für eine staatliche Aufstockung nicht realisieren“, erläuterte Adamy.
Immerhin die Hälfte der vollzeitbeschäftigten Aufstocker hat nach Erkenntnissen des DGB eine abgeschlossene Berufsausbildung. Armut von Erwerbstätigen sei demzufolge nicht nur mit geringer Qualifizierung gleichzusetzen, betonte Adamy. Dass eine gering bezahlte Beschäftigung immer noch besser ist als gar keine, will der Gewerkschafter nicht gelten lassen: „Für die Betroffenen ist es demoralisierend, wenn man versicherungspflichtig arbeitet und nicht davon leben kann“.