Die Redaktion ist es mittlerweile gewohnt, täglich über die unterschiedlichen Kommunikationskanäle von Lesern beschimpft zu werden. Die Kritiker sind vornehmlich sehr wütende Mitmenschen, die in unserer journalistischen Arbeit vor allem eines sehen – „eine ständige Hetze gegen politisch Andersdenkende“. Dieser „verlogene und die Wahrheit verdrängende Journalismus“ müsse bekämpft werden. Die „verdrängte Wahrheit“ sieht angeblich so aus: „Was Deutschland braucht, ist die Rückführung von Flüchtlingen. Du Schwachkopf hast wohl noch nichts von dem permanenten Wohnungsmangel gehört. Selbst für deutsche Bürger gibt es kaum noch bezahlbare Wohnungen. Und da schreibt so ein Voll-Idiot: Wir brauchen Zuwanderung!“ Die Lösung aller Probleme liegt für nicht wenige „Lügenpresse“-Verfechter auf der Hand: „Was wir brauchen, ist eine Rechtspartei, die mit dem ganzen Schwindel endlich aufräumt!“
Pöbelnde Bürger sind an Argumenten selten interessiert
Das Betrübliche an solchen Äußerungen ist weniger die oft beleidigende Wortwahl. Bedenklicher ist die Tatsache, dass mit vielen dieser pöbelnden Bürger keine inhaltliche Auseinandersetzung möglich ist. Argumente von Andersdenkenden ignorieren sie meist. Das vertieft die Gräben in der Gesellschaft. Denn eine lebendige Demokratie lebt vom Meinungsstreit, von der argumentativen Auseinandersetzung.
Die Redaktion wird mit ihren Meinungsbeiträgen auch künftig ihren Teil zu einer konstruktiven Debattenkultur im Sinne eines gelingenden demokratischen Miteinanders leisten. So, wie es unsere journalistischen Leitlinien vorsehen. Dort heißt es unter anderem: „(...) dass nur dort freier, unabhängiger und kritischer Journalismus möglich ist, wo die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen in einem demokratischen Umfeld gegeben sind“. Mit unserer Arbeit sichern wir diese demokratischen Freiheitsrechte. Die Verantwortung, die sich daraus ergibt, bedeutet für uns auch die Verpflichtung zur Fairness und zum Augenmaß.
Es ist aus Sicht der Redaktion allerdings alles andere als unfair, in Kommentaren immer wieder darauf hinzuweisen, dass es in einer globalisierten Welt mit vielschichtigen Problemen keine einfachen, schnellen Lösungen gibt – so wünschenswert das auch wäre. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet schon gar nicht die rechtspopulistische AfD. Denn sie ist mitnichten eine Alternative für Deutschland, allenfalls ein Abgesang für Deutschland. Zumindest für ein liberales, weltoffenes und tolerantes Deutschland.
Was Wissenschaftler über AfD-Wähler sagen
Zwei jüngere Studien zeigen: Wer AfD wählt, will vor allem, dass die Gesellschaft homogen ist „mit einer hohen Einheitlichkeit in der Sprache und in der Lebensführung“, so der Befund von Leipziger Wissenschaftlern. Zuwanderung wird mehrheitlich abgelehnt. Gauland, Weidel und Co lassen keine Gelegenheit aus, die Erwartungshaltung ihres Klientels zu stillen. So hat beispielsweise Sachsen-Anhalts AfD-Chef André Poggenburg bei einem Auftritt in der Sächsischen Schweiz, begleitet vom Beifall seiner Zuhörer, gegen in Deutschland lebende Türken gehetzt: „Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören, weit, weit, weit, hinter den Bosporus, zu ihren Lehmhütten und Vielweibern. Hier haben sie nichts zu suchen und zu melden.“
Das ist nur einer von zahlreichen Belegen für das, was der Soziologe Martin Schröder in seiner Studie über die AfD herausgefunden hat. Nicht nur die Partei ist rassistisch. Auch ihre Unterstützer sind, „zugespitzt“ formuliert, „Ausländern gegenüber feindlich eingestellt“. Deshalb sehen die Forscher für andere Parteien wenig Chancen, AfD-Anhänger auf ihre Seite zu ziehen. Sie müssten dafür ihre eher liberale Zuwanderungspolitik aufgeben – auf die Gefahr hin, einen Teil ihrer Wähler zu verlieren. Die Gräben in unserer Gesellschaft werden wohl so schnell nicht verschwinden . . .