G uido Westerwelle erklärte am Wochenende in Rostock das aktuelle Selbstbewusstsein der FDP damit, dass sie wie ein gallisches Dorf sei. Sie sei der einzige Ort der Freiheit, der sich gegen die anstür- menden Kohorten von Steuererhö- hern und staatlichen Bevormun- dern halte.
Aber es ist nicht, wie Westerwelle meinte, "der Zaubertrank Freiheit", der der FDP derzeit ein Gefühl der Stärke vermittelt, obwohl sie in der Opposition ist. Es ist die Gewissheit, dass auch diesmal ihre Zeit wieder kommen wird. So wie Ende der 60er Jahre, als es schon einmal eine große Koalition gab. Sie endete mit Verdruss an den großen Parteien. Das brachte die FDP damals in die Regierung, für lange 29 Jahre. Der Verdruss ist bei der aktuellen gro- ßen Koalition schon jetzt eingetre- ten. Westerwelles Kalkül, bei der nächsten Bundestagswahl ein zwei- stelliges Ergebnis zu erzielen, könnte also aufgehen.
Westerwelle, als Doppelvorsitzen- der von Partei und Fraktion mächtig wie nie, trägt die volle Verantwor- tung, aus dieser Ausgangslage etwas zu machen. Er verspricht eine per- sonelle Verbreiterung der FDP-Füh- rung. Die ist auch nötig, denn der- zeit sieht man eher eine Verengung - nämlich auf ihn. Es gibt zwar viele junge Nachwuchstalente, doch ste- hen sie noch nicht in der ersten Reihe. Westerwelle mit seinen nicht vergessenen Eskapaden von Guido- mobil bis Big-Brother-Container ist für viele Wähler eher ein Hinde- rungsgrund. Auch wenn er in- zwischen viel seriöser geworden ist, wird er für die Außendarstellung der Partei deshalb ein ausgewogenes Team an der Spitze bilden müssen.
Zweitens versucht Westerwelle das Profil der FDP zu schärfen, in- dem er inhaltlich die Distanz zu allen anderen Parteien, insbeson- dere zu CDU und SPD, vergrößert. Die FDP fasste in Rostock in der Umwelt-, Energie-und Bildungs- politik radikal-liberale Beschlüsse nach dem Motto: Da müssen sich die Großen aber noch ganz schön bewegen, bis sie wieder mit uns können.
Etwas an dieser Rolle stimmt nicht. Es ist die politische Realität in Deutschland. Zum einen igno- riert Westerwelle, dass nicht allein die CDU bei der letzten Wahl schei- terte, sondern vor allem ihr neo- liberaler Wahlkampfansatz. Eine Koalition Kirchhoff-Westerwelle, das wollten die Menschen genau nicht. Zum anderen ist auch nach der nächsten Wahl - erst recht, wenn CDU und SPD dann für ihre Regierungspolitik abgestraft werden sollten - eine wie auch immer ge- artete Zweierkoalition mit der FDP unwahrscheinlich. Entweder große Koalition oder eine Ampel-Konstel- lation wird eher die Alternative sein. Dann wäre es die FDP, die sich bewegen müsste, womöglich sogar in Richtung der verhassten Grünen.
Die FDP ist klein und Westerwelle weder Asterix noch Obelix. Wenn Westerwelle die FDP tatsächlich programmatisch verbreitern will, wie er verspricht, dann muss er Zei- chen der Versöhnung an jene Wäh- ler geben, die Schwarz-Gelb ablehn- ten. Er muss die FDP öffnen, statt sie neoliberal zuzuspitzen. Macht- los, aber glücklich: Diese Devise glaubt man den Liberalen auf Dauer sowieso nicht.