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„Eine Zeitenwende für die Banken“

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„Eine Zeitenwende für die Banken“

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    Wenn es einen Wirtschaftszweig gibt, der für die aktuelle Finanz- und Schuldenkrise mitverantwortlich gemacht wird, dann sind es wohl die Banken. Wir sprachen mit Thilo Wendenburg, Sprecher des Vorstands der Fürstlich Castell'schen Bank in Würzburg über eine ehemals so selbstbewusste Branche in Zeiten der Krise.

    Frage: Wie hat sich – knapp dreieinhalb Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers – das Geschäft der Banken verändert?

    Thilo Wendenburg: Es hat sich insofern verändert, dass die Menschen heute viel vorsichtiger geworden sind und viel mehr nachfragen. Der Kunde will verstehen, was mit seinem Geld passiert. Und wir sind verpflichtet, das so gut zu erklären, dass der Kunde es auch versteht. Und das ist auch richtig. Man muss einräumen, dass das in unserer Branche in der Vergangenheit nicht immer so war. Von manchen Banken wurden teilweise Produkte verkauft, die der Kunde nicht verstanden hat. Die Verbraucherschützer wollen nun den Kunden besser schützen – ihn aber auch zwingen, sich besser zu informieren.

    Stimmen Sie der Beobachtung zu, dass 'Banker' heute fast schon zum Schimpfwort geworden ist?

    Wendenburg: In der Allgemeinheit gesehen ist das wohl so. Aber es wird da leider alles über einen Kamm geschoren. Das liegt daran, das täglich in der Zeitung steht, was alles in New York, London oder auch Frankfurt passiert. Da haben wir eher regional tätigen Banken es schwer, uns davon abzusetzen. Man kann das eine mit dem anderen aber nicht vergleichen.

    Banker ist also nicht gleich Banker?

    Wendenburg: Nein, überhaupt nicht. Wir verstehen uns eher als Bankiers. Also jemand der unternehmerisch denkt, der wirklich Verantwortung trägt und eine Bindung zum Unternehmen und den Kunden hat. Und nicht nur Angestellter einer Bank ist, und der vor allem darauf aus ist, eine Kurssteigerung zu erwirtschaften. Und im Zweifel einen hohen Bonus.

    Die Politik will nun – in seltener Eintracht – die Finanzbranche reglementieren. Reiner Populismus?

    Wendenburg: Nein, wir erleben in der Tat eine Zeitenwende für die gesamte Bankenbranche.

    Dann können Sie die Kritik der weltweiten Occupy-Bewegung vielleicht sogar nachvollziehen?

    Wendenburg: Ja, das kann ich. Und man muss diese Kritik auch ernst nehmen. Die Occupy-Bewegung ist ja im September vergangenen Jahres entstanden, als das Fass am Überlaufen war. Das waren ja vor allem junge Leute und – vor allem in den USA – Betroffene der Krise, die etwa ihre Häuser verloren haben. Und dass die Menschen auf die Straße gehen und das anprangern, ist nur zu verständlich. Mittlerweile ist die Bewegung ja ruhiger geworden und hat sich von der Zelt-Phase fortentwickelt. Aber ich glaube, das ist ganz gut. Es geht jetzt inhaltlich mehr in die Tiefe.

    Womit verdient eine Bank eigentlich ihr Geld?

    Wendenburg: Mit der Beratung. Eine Bank wie die unsere verdient zu über 80 Prozent ihr Geld mit der Beratung und nicht mit der Transaktion, also dem Kauf und Verkauf von Produkten.

    Der Würzburger Finanzprofessor Ekkehard Wenger sprach bereits vor drei Jahren öffentlich von „einer Art Casino- und Zockerbudenkrise“, die wir erleben.

    Wendenburg: Auch hier würde ich differenzieren wollen. Das ist sicherlich bezogen auf die Jahre vor der Lehman-Pleite und die großen Investmentbanken so gewesen – und ich will nicht ausschließen, dass es in gewissen Bereichen heute immer noch so ist. Das hat aber nichts mit dem klassischen Privatbankengeschäft in Deutschland zu tun.

    Eine der Ursachen der Krise ist die Tatsache, dass internationale Großbanken in den vergangenen Jahren ihr Geschäft enorm aufblähen konnten. Was ist da schiefgelaufen? War die Politik zu lax?

    Wendenburg: Das ist nicht so leicht zu beantworten. Letztendlich hat es etwas mit der Gier des Menschen zu tun. Sowohl auf der Kundenseite als auch auf der Bankenseite. Wenn ich mir etwa eine typische Großbank ansehe, dann muss diese zuerst einmal Geld verdienen – wie eine regionale Bank auch. Aber hinter der Großbank stehen viele Aktionäre, die eine Dividende erwarten und eine Kurssteigerung sehen wollen. Damit zwingen sie die Unternehmensleitung dazu, immer mehr Geld zu verdienen. Das ist ein ganz normaler Prozess. Um diesem Druck standzuhalten, werden eben neue Produkte entwickelt, die man sonst vielleicht gar nicht in Betracht ziehen würde. Die Branche muss nun erkennen, dass es bestimmte Grenzen gibt.

    Ist es dafür nicht schon zu spät. Es scheint, dass die internationale Finanzwirtschaft – also etwa Großbanken, Hedgefonds, Investmenthäuser – längst den Kontakt zur Realwirtschaft verloren hat.

    Wendenburg: Das ist teilweise ganz sicher so. Einige Hedgefonds sind völlig losgelöst von der Realwirtschaft. Aber auch hier wird sehr über einen Kamm geschoren, ähnlich wie bei den Bankern. Aber ja, die Tendenz ist schon da.

    Aufgrund der verschärften Richtlinien des Finanzmarktregelwerks Basel III müssen Banken künftig viel mehr Eigenkapital im Hintergrund haben. Manche Experten sagen bereits, dass dies für kleinere Banken auf Dauer das Aus bedeutet könnte . . .

    Wendenburg: Das ist so. Wenn ich mir ansehe, was Basel III für Anforderungen an Banken stellt, dann ist das für alle eine Herausforderung. Nicht nur für kleine Banken, auch für große. Nur haben die Großbanken die Möglichkeit, sich über die Börse Eigenkapital zu holen, wir kleineren können das nicht. Unsere Kapitalbeschaffung erfolgt über die Eigentümer und unsere Arbeit im Markt. Wir alle werden in den kommenden Jahren mit Basel III beschäftigt sein – und ich kann heute noch nicht sagen, was das für den Kunden für Konsequenzen haben wird.

    Auf Ihrer Internetseite werben Sie mit dem Spruch: „Sie wollen Stabilität? Dann kommen Sie zu einer Bank, die es schon länger gibt, als die meisten Währungen“. Wollen Sie mit der Angst um den Euro Kunden gewinnen?

    Wendenburg: Nein, ganz und gar nicht. Wir wollen damit nur darauf hinweisen, dass wir eine Bank sind, die es schon seit vielen Jahrhunderten gibt. Und die auf eine enorme Erfahrung zurückgreifen kann, die auch im heutigen Alltag sehr nützlich ist. Es gibt da wirklich keinen Bezug zum Euro.

    Thilo Wendenburg

    Seit August 2009 ist Thilo Wendenburg Vorstandssprecher der Fürstlich Castell'schen Bank in Würzburg. Der 46-Jährige war zuvor 19 Jahre für die Deutsche Bank, zuletzt in Luxemburg, tätig. Das Bankhaus wurde 1774 gegründet und ist damit eine der ältesten Privatbanken Deutschlands. Das im Familienbesitz befindliche Institut ist mit zwölf Filialen in Unter-, Mittel- und Oberfranken sowie Niederlassungen in Heilbronn, Mannheim, München, Nürnberg und Ulm vertreten. FOTO: Theresa Müller

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