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Gastbeitrag: Muss die deutsche Sprache ins Grundgesetz?

Leitartikel

Gastbeitrag: Muss die deutsche Sprache ins Grundgesetz?

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    Norbert Wolf
    Norbert Wolf Foto: FOTO Hartel

    Immer wieder ist zu lesen, dass Deutsch eine „schwere Sprache“ sei, besonders „weil immer mehr englische Wörter im Alltag das Deutsche verdrängen“. Daraus könnte man schließen, dass eine Sprache ohne Entlehnungen aus dem Englischen „leichter“ sei. Und dann steht immer wieder zu lesen: „Das soll sich ändern, indem die deutsche Sprache im Grundgesetz verankert wird.“

    Mit anderen Worten, wenn im Grundgesetz der Artikel „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch“ steht, dann gibt es weniger Anglizismen und Deutsch wird somit eine leicht(er)e Sprache. Diese Logik, der man gelegentlich in der Union begegnet, überrascht doch ein wenig.

    Zum einen ist zu fragen, was alles in einer Staatsverfassung stehen soll. Dorthin gehören bestimmte Symbole eines Staates, wie etwa die Farben der Staatsflagge, bürgerliche Grundrechte und fundamentale gesellschaftliche Werte. So ist der besondere Schutz der Familie dort festgeschrieben, doch hat dies noch niemanden am Ehebruch oder an einer Scheidung gehindert.

    Genauso wenig wird die deutsche Sprache im Grundgesetz die deutsche Bahn davon abhalten, einen Auskunftschalter Service Point zu nennen. Das und noch viel mehr ist überflüssig, auch ärgerlich, aber eben nicht durch ein Gesetz zu verhindern. Dazu kommt, dass die Landessprache mehr oder weniger gegeben ist, nicht aber die Flagge eines Landes oder dessen Hauptstadt. Derartiges muss (grund)gesetzlich geregelt sein.

    Man mag nun einwenden, dass andere Staaten, etwa Frankreich oder Österreich die Landessprache in der jeweiligen Verfassung festgelegt hätten. Doch muss man die Situation, in der solche Festlegungen entstanden sind, bedenken. Die kleine Republik, die nach dem Ende der Österreichisch-Ungarischen Monarchie entstand, wollte sich auch für die deutsch Sprechenden in anderen Teilen, etwa in der Tschechoslowakei, zuständig fühlen; zudem weist die österreichische Verfassung auch auf weitere Sprachen, die im Land gesprochen werden, hin.

    In Frankreich wurden durch den Satz, dass die Sprache der Republik Französisch sei, andere Sprachen bewusst unterdrückt, und es macht immer noch Schwierigkeiten, Minderheitensprachen anzuerkennen. Solches kann und darf doch nicht das Ziel des deutschen Grundgesetzes sein.

    Man sollte auch einen Blick darauf werfen, wer Derartiges fordert: Da ist zunächst der Verein für deutsche Sprache, der seit Jahren auf höchst sektiererische Weise auf Fremdwörterhatz geht. Desweiteren wird ein Verein für Kulturbeziehungen im Ausland genannt, der sicherlich ehrenhafte Mitglieder hat und ehrenwerte Arbeit leistet, wobei mir nicht klar wird, inwiefern der geforderte Artikel im Grundgesetz die Vereinsziele fördern könnte.

    Warum fordern diese und andere Vereine nicht auch die Bestimmung, dass sprachliche Äußerungen logisch gegliedert und gut verständlich formuliert sein müssen. Wenn ein Politiker nach einem Parteitreffen sagt: „Wir beherrschen die atmosphärischen Sedimentablagerungen“, dann kommt man leicht zu der Meinung, dass die Wortwahl in öffentlichen Äußerungen eine ähnliche Funktion bekommt wie die Schwanzfedern eines Pfaus. Diese allerdings verschaffen dem Pfau einen großen Fortpflanzungsvorteil.

    Not tut überhaupt ein sorgsamerer Umgang mit der Sprache. Und dabei spielt es häufig kaum eine Rolle, ob Anglizismen verwendet werden oder nicht. Ich halte es viel mehr für sträflich, wenn Sprache zur Verschleierung von Tatsachen verwendet wird, als wenn sich ein Geschäft, das Trachtenmoden verkaufen will, Bayernshop nennt. Das ist nur lächerlich, mehr nicht.

    Zur Person

    Norbert Richard Wolf 32 Jahre lang hatte Norbert Richard Wolf (65) an der Universität Würzburg den Lehrstuhl für Sprachwissenschaft inne. Vor einem Jahr hielt der gebürtige Salzburger seine Abschiedsvorlesung.

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