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PARIS/LOHR: Greser & Lenz: Über Gott lässt sich nicht lästern

PARIS/LOHR

Greser & Lenz: Über Gott lässt sich nicht lästern

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    Das Attentat auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ bewegt auch deutsche Karikaturisten. Der gebürtige Lohrer Achim Greser und sein Kollege Heribert Lenz (geboren in Schweinfurt), die in Aschaffenburg ihr Büro haben, wollen sich davon jedoch keinesfalls ins Bockshorn jagen lassen. Ganz im Gegenteil. Als Reaktion auf den brutalen Überfall auf ihre französischen Kollegen haben sie zum ersten Mal den Propheten Mohammed zu Papier gebracht (siehe Fotostrecke).

    Frage: Herr Lenz, darf Satire alles? Wo verlaufen die Grenzen?

    Heribert Lenz: Satire darf natürlich alles. Da hat sich durch das Massaker in Paris nichts verändert. Satire ist ein wichtiges Korrektiv, das Einfluss nehmen soll auf die öffentliche Diskussion und die Themen, die momentan im Raum schweben.

    Satire darf also auch Religion verspotten?

    Lenz: Das ist immer das grundsätzliche Missverständnis. Es handelt sich nicht um Verspottung der Religion, sondern eigentlich geht es immer um die Unzulänglichkeiten der religiösen Stellvertreter auf Erden. Wie soll man sich denn über Religion lustig machen? Wenn es einen Gott gibt, dann ist das ein höheres Wesen, wie soll sich denn ein kleiner Erdenwurm über Gott lustig machen? Das ist doch überheblich und einfach nur lächerlich.

    Ich habe gelesen, dass Sie einige Kollegen von „Charlie Hebdo“ persönlich kannten. Was bedeutet der Anschlag in Paris unter diesem Aspekt für Sie beide?

    Lenz: Das sind Kollegen, da ist man natürlich betroffen, auch wenn wir sie nicht wirklich sehr gut kannten. Wir sind ihnen dreimal in unterschiedlichen Situationen, zum Beispiel bei Ausstellungen, begegnet. Vor etlichen Jahren haben wir auch einmal die Redaktion von „Charlie Hebdo“ besucht. Wenn Sie jetzt wissen wollen, ob man nach dem Anschlag jetzt vorsichtiger oder ängstlicher geworden ist – das nicht. Im Gegenteil! Wir sind vor allem wütend. Und wir dürfen wirklich nicht das kleinste Stück nachgeben, unsere freie Gesellschaft ist zu verteidigen. Das gilt nicht nur für uns, sondern für die gesamte Presse.

    Also gehen Sie mit dem gleichen Gefühl an die Arbeit wie vor den Anschlägen?

    Lenz: Nein. Da hat sich schon etwas verändert. Wir haben dieser Tage zum Beispiel zum ersten Mal den Propheten Mohammed gezeichnet. Das war uns ein Bedürfnis und auch eine Genugtuung, den jetzt mal einzusetzen.

    Das war also das erste Mal, dass Sie ganz bewusst provokativ Mohammed gezeichnet haben?

    Lenz: Es war bisher für unsere Arbeit nicht nötig, den einzusetzen. Das ist auch der Unterschied zu „Charlie Hebdo“. Die haben Mohammed ja immer wieder gezeichnet, in ganz unterschiedlichen Situationen. Sie haben beispielsweise auch eine Biografie über ihn veröffentlicht. Insofern sind wir da eigentlich viel harmloser.

    Ganz grundsätzlich: Was unterscheidet denn die Satire-Kultur in Frankreich von der in Deutschland?

    Lenz: Ich muss zugeben, in Frankreich gehen die Kollegen da schon ein bisschen härter zur Sache. Man sieht in den Zeichnungen beispielsweise gerne mal Blut, und es gibt jede Menge Sexszenen. Vielleicht sind sie durch die Französische Revolution, in der ja unter anderem für Freiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung gekämpft wurde, vorwitziger. Die wird vehement verteidigt. Das sieht man ja auch daran, dass Tausende Menschen nach den Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ auf die Straße gingen und mit „Je suis Charlie“-Schildern (Ich bin Charlie, Anm. d. Red.) ihre Solidarität bekundeten. Ich weiß nicht, wie das bei uns wäre.

    Ist in Deutschland die Satire-Kultur gemäßigter?

    Lenz: Ja, deutlich gemäßigter. Da müssen wir noch ein bisschen aufholen (lacht).

    Fühlen Sie sich nach den Anschlägen denn nicht bedroht?

    Lenz: Nein. Überhaupt nicht.

    Glauben Sie, dass die Anschläge die Welt der Satire verändern werden? In Frankreich, aber auch in Deutschland?

    Lenz: Ich glaube, dass Satire bei uns jetzt auch schärfer werden wird. Und „Charlie Hebdo“ erscheint ja auch nächste Woche wieder in einer Millionenauflage. Die machen auf jeden Fall auch weiter.

    Es wirkt so, als ob also genau das passiert, was die Attentäter eigentlich verhindern wollten?

    Lenz: Ich glaube ja. Und ich hoffe das auch.

    Was war denn bisher die provozierendste Karikatur aus Ihrer Feder?

    Lenz: Vor einigen Wochen hatten wir Schwierigkeiten mit einer eigentlich integrationsfreundlichen Karikatur. In der gab es einen bissigen Hund, auf dessen Hundehütte „Erdogan“ (Recep Tayyip, türkischer Präsident, Anm. d. Red.) stand. Erdogan hat den deutschen Botschafter einbestellt und verlangt, dass das Buch, in dem die Zeichnung abgebildet war, eingestampft wird. Und er hat gesagt, dass man anhand dieses Bildes sehen würde, wie islamfeindlich die deutsche Presse ist. Das ist lächerlich. Es gibt natürlich immer wieder Schwierigkeiten, gerade wenn es um religiöse Themen geht. Da melden sich die Leute, die sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen.

    Sind Sie auch schon offen angefeindet worden?

    Lenz: Bisher hatten wir nur gemäßigte Beschwerden. Das da mal ein bisschen härtere Worte fallen, das passiert. Aber schlimmer wurde es noch nicht. Vor etwa einem Vierteljahr ist bei uns der Briefkasten in die Luft gesprengt worden. Wir wissen aber bis heute nicht, ob es sich dabei um einen Dummejungenstreich handelte oder ob sich da jemand erregt hat. Das bereitet uns aber keine Sorgen. Wir sind hier in Aschaffenburg im Windschatten und fühlen uns sicher.  

    Heribert Lenz

    Der Karikaturist Heribert Lenz wurde am 26. Februar 1958 in Schweinfurt geboren. Während seines Grafikstudiums in Würzburg lernte er den gebürtigen Lohrer Achim Greser kennen, mit dem er seitdem zusammenarbeitet. Die beiden Künstler verbindet die Begeisterung für die Werke der „Neuen Frankfurter Schule“, die die Humorlandschaft der Nachkriegszeit maßgeblich geprägt hat. Von 1986 bis 1988 arbeiteten beide für das Satiremagazin „Titanic“. Dort entstanden unter ihrer Mitarbeit unter anderem die politischen Comicserien „Genschman“ und „Die roten Strolche“. Seit 1996 zeichnen sie von ihrem Büro in Aschaffenburg aus gemeinsam regelmäßig für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. FOTO: M. Rill

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