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Berlin: "Isch kandidiere" - was an Hape Kerkelings Film billig ist

Berlin

"Isch kandidiere" - was an Hape Kerkelings Film billig ist

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    Beispiel Bankenkrise: Hätte vor einem Jahr jemand gesagt, Deutschlands Wirtschaft fährt an die Wand, wenn man nicht mit über 100 Milliarden Euro staatlicher Unterstützung ein Unikum namens „Hypo Real Estate“ rettet – man hätte das für einen Witz gehalten. Falls ein Horst Schlämmer oder sonstwer da schon geahnt hätte, dass es eine Bank mit diesem komischen Namen überhaupt gibt.

    Was in der Politik passiert, ist undurchschaubar, oft suspekt. Wer ernste Antworten gibt, ist potenziell eher langweilig, wird kaum wahrgenommen – kaum jemand nimmt sich Zeit zum Zuhören, will gerne Unangenehmes hören. Kurz und knackig muss die Antwort auf alle Fragen sein, auf gar keinen Fall länger als in SMS- oder Twitter-Länge.

    „Es ist alles zu wenig“, beklagt denn auch Hape Kerkeling alias Horst Schlämmer in seinem 96-Minuten-Streifen, der seit Donnerstag in den Kinos zu sehen ist. „Wir haben viel zu bieten“ verspricht dagegen Vera Lengsfeld, tief dekolletiert, auf einem CDU-Wahlplakat mit Angela Merkel. Gar „Reichtum für alle“ fordert Gregor Gysi (Die Linke). Muss sich angesichts solcher Slogans noch jemand wundern, dass Fakten und Fake, Realität und Film bei oberflächlichem Hinsehen kaum mehr zu unterscheiden sind?

    Hape Kerkeling macht sich für seinen Film zunutze, dass viele Politiker, A-, B-, C-Promis und normale Bürger nur allzu bereitwillig alles mitmachen, wenn eine Kamera läuft: Claudia Roth etwa mit Gurkenscheiben auf den Augen („Hauptsache Bio“) oder Jürgen Rüttgers, der den Möchtegern-Kanzlerkandidaten ganz jovial zur Sitzprobe auf seinen Ministerpräsidenten-Sessel bittet („Sie wollen ja nach Berlin“). Dass sich CSU-Rebellin Gabriele Pauli, Sänger Jürgen Drews sowie Model Kader Loth für eine Film-Debatte hergeben – geschenkt. Aber warum müssen dann in der Rahmenhandlung auch noch die urältesten Klischees verbraten werden: ein trotteliger Polizist, der einen Fall nicht lösen kann. Oder ein Ossi, der sich mit seinem Dialekt lächerlich macht?

    Das ist billig, wurde in jeder Prunksitzung auf dem kleinsten Dorf inzwischen tausendmal durchgehechelt. Und auch wenn Horst Schlämmer seit 2005 Kult ist – übergroße Brille, Vokuhila-Frisur (vorne kurz, hinten lang), schiefe Zähne: Diese Art von Humor ist im Fasching ebenfalls allerorten zu Hause. Wenn der stellvertretende Chefredakteur des fiktiven Grevenboicher Tagblatts seinen Interviewpartnern das „Du“ und ein Fläschchen Korn anbietet, dabei selbst einen Doornkaat leert („Ich hab Kreislauf“) – dann hätte man im Kino auch gern ein Fläschchen zur Hand, weil doch ein leichter Schwips allemal seine Wirkung tut.

    Was Kinogänger aus der Region zum Film meinen? Antje Sinn aus Würzburg findet es „ein bisschen schade, dass die Handlung zu albern war, zu viele Lacher vorhersehbar waren“. Stars und Politiker seien oft deplatziert gewesen. „Dabei finde ich den Ansatz gut, auf die Versprechungen der Politik eine Parodie zu machen.“ Besser gefallen hat es Katrin Schneider aus Theilheim: „Was Regierung und Parteien abliefern, wird zu Recht lächerlich gemacht.“ Es sei auf die Spitze getrieben worden, die Scherze super gewesen. Von „oberem Mittelmaß“ spricht ein Student, der seinen Namen nicht nennen will: „Die besten Gags kannte ich aus dem Filmtrailer bereits.“

    Den Schlämmer-Verweigerer gibt der Schweinfurter SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Hofmann. „Ich gehe bewusst nicht in diesen Film. Da geht es doch nur um Geldmacherei“, kritisiert er Harpe Kerkeling, den er „im Prinzip“ gut findet – genau wie die Figur Schlämmer. „Aber jetzt schießt er übers Ziel hinaus. Damit wird er der Demokratie nicht gerecht, erweist ihr keinen Dienst.“ Michael Glos, Bundeswirtschaftsminister a.D., sieht die Sache betont gelassen. „Die Politik muss mit Comedy leben, man darf das nicht zu ernst nehmen.“ Dass die HSP am 27. September wirklich 18 Prozent bekäme, hält der CSU-Bezirksvorsitzende aus Schweinfurt für abwegig. „So eine Umfrage hat mit der Realität nicht viel gemein.“

    Die Realität kann manchmal aber auch ziemlich frustrierend sein: Auf der Spielemesse Gamescom in Köln versucht die Junge Union, mit potenziellen Wählern ins Gespräch zu kommen. Doch die Sessel bei CDU-Jugendorganisation bleiben meist leer, während um die Ecke die T-Shirts von Hort Schlämmer weg gehen wie warme Semmeln: „Ich hab Kreislauf“ oder „Es ist alles zu wenig“ für 19,99 Euro ist halt die einfachere Botschaft – und witziger.

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