Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten
Leitartikel
Icon Pfeil nach unten

LEITARTIKEL: Islamisten abschieben – aber auf rechtsstaatlichem Weg

LEITARTIKEL

Islamisten abschieben – aber auf rechtsstaatlichem Weg

    • |
    • |

    Er wird von den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestuft, gilt als Hassprediger, soll der Leibwächter von El-Kaida-Chef Osama bin Laden gewesen sein. Dass viele Deutsche jemanden wie Sami A. nicht im Land haben möchten, ist nachvollziehbar. Verständlich ist auch das Kopfschütteln darüber, dass der Mitte Juli abgeschobene Tunesier nun auf Staatskosten nach Deutschland zurückgeholt werden soll, wie das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster am Mittwoch entschied. Das Urteil kann wütend machen. Es ist aber richtig – und zu akzeptieren.

    Die Geschichte um Sami A. ist an Absurdität kaum zu überbieten, sorgt in Teilen der Bevölkerung für einen Vertrauensverlust in den Staat und liefert auch Wasser auf die Mühlen der politisch Extremen. Denn wieder einmal haben sich deutsche Behörden und die Politik nicht mit Ruhm bekleckert beim Aufregerthema „Abschiebung von kriminellen Ausländern“: Die Münsteraner Richter bewerteten die Abschiebung von Sami A. als „offensichtlich rechtswidrig“, weil vorher das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine Foltergefahr für den Islamisten in seiner Heimat nicht ausschließen konnte und daher eine Abschiebung untersagte. Es liege keine „diplomatisch verbindliche Zusicherung der tunesischen Regierung“ vor, dass weder Folter noch andere menschenrechtswidrige Verhörmethoden angewendet würden, so die Begründung. Doch dieser Beschluss wurde den zuständigen Behörden erst zugestellt, als Sami A. bereits im Flugzeug saß.

    Fakten geschaffen, Gesetze ignoriert

    Die Ereignisse zeugen mindestens von einer stümperhaften Koordination der verantwortlichen Behörden, im schlimmsten Fall steckt dahinter eine bewusste Täuschung der Justiz: Am Donnerstag verdichteten sich die Hinweise, dass das Land Nordrhein-Westfalen und das Bundesinnenministerium versucht hatten, das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zu täuschen. Man habe der Justiz Informationen vorenthalten, um eine rechtzeitige Entscheidung zu verhindern – und in der Zwischenzeit Fakten geschaffen, hieß es. Geltendes Recht? Unwichtig.

    Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte schon kurz nach der Abschiebung erklärt: „Im Ergebnis können wir froh sein, dass der Gefährder nicht mehr in Deutschland ist.“ Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte: „Ich bin froh, dass der mutmaßliche Leibwächter von bin Laden außer Landes ist.“ Ob die Abschiebung rechtens war, schien die Unionspolitiker schon damals nicht zu interessieren. Dabei sollten Politiker aus der ersten Reihe wissen, dass das Bundesverfassungsgericht erst im Dezember 2017 entschieden hatte, dass sich vor der Abschiebung eines Islamisten die zuständigen Behörden und Gerichte vergewissern müssen, dass dem Betroffenen in seiner Heimat keine Folter oder unmenschliche Haftbedingungen drohen.

    Kein starker Rechtsstaat ohne unabhängige Justiz

    Nun legte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) nach: „Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen.“ Diese Einschätzung ist eines Innenministers unwürdig. Gerichte entscheiden nach Gesetzen, nicht nach einem Bauchgefühl – anders als viele Politiker in der hitzigen Diskussion um Migration: Jedenfalls bekommt man schon den Eindruck, dass zahlreiche Volksvertreter, um in der emotionalisierten Asyl- und Abschiebe-Debatte nicht in Ungnade zu fallen, populäre Positionen vertreten. Es ist eben einfacher zu sagen, ein Gefährder muss das Land verlassen, als dessen Rückkehr zu akzeptieren, damit dem Gesetz Genüge getan wird. Doch gerade Unionspolitiker, die gerne von einem „starken Rechtsstaat“ sprechen, stellen diesen so in Frage. Denn zu einem starken Rechtsstaat gehört eben auch die Gewaltenteilung– und zu dieser eine unabhängige Justiz.

    Um es noch einmal deutlich zu sagen: Ausländische Islamisten wie Sami A. sollten kein Bleiberecht in der Bundesrepublik haben. Sie müssen abgeschoben werden – aber auf rechtsstaatlichen Wegen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden