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Würzburg: Kommentar: Warum wir mehr Gründerinnen brauchen

Würzburg

Kommentar: Warum wir mehr Gründerinnen brauchen

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    Ob Bertha Benz wohl Zweifel plagten? Ob sie sich eine Nacht lang hin- und herwälzte, bevor sie an einem Sommertag im Jahr 1888 frühmorgens aufstand und, ohne ihren Mann zu wecken, seinen Patent-Motorwagen bestieg? Vielleicht, ziemlich sicher sogar. Und dennoch tat Benz das, was noch nie jemand vor ihr getan hatte, kein Mann und schon gar keine Frau: Sie fuhr, gemeinsam mit ihren Söhnen, 106 Kilometer von Mannheim nach Pforzheim. Es war die erste Überlandfahrt der Welt - und der Wendepunkt in der Geschichte des Automobils.

    Benz wurde an diesem Tag zur Pionierin, obwohl sie eine Frau war. Obwohl sie kein Abitur machen, nicht studieren durfte. „Leider wieder nur ein Mädchen“, hatte der Vater anlässlich ihrer Geburt in der Familienbibel notiert.

    Mehr als 100 Jahre später sind all die Hürden, die Bertha Benz noch das Leben schwer machten, aus dem Weg geräumt. Dass es sie jemals gab, registrieren die Jüngeren höchstens noch mit einem kleinen Schaudern. Heute ist über die Hälfte aller Abiturienten weiblich, zu Semesterbeginn strömen mehr Frauen an die Universitäten als Männer.

    Nur 15 Prozent aller Start-up-Gründer sind weiblich

    Und doch versteckt sich im System ein Fehler. Denn irgendwo auf dem Weg trennen sich die Pfade von Frauen und Männern. Die Zahl der Pionierinnen - der Erbinnen von Bertha Benz - ist überschaubar. Es gibt sie. Aber es gibt zu wenige. Nur 15 Prozent aller Start-up-Gründer sind weiblich. Geht es um Hochtechnologie-Firmen, sind es sogar nur fünf Prozent. Die Gründerszene ist in etwa so männlich wie eine Straßenbahn kurz nach einem Fußballspiel.

    Für Deutschland, die Nation der Erfinder und Tüftler, ist das beschämend - aber auch gefährlich. Denn die deutsche Wirtschaft lebt von den klugen Köpfen, die den Mittelstand immer wieder erneuern und stärken. Sie kann es sich nicht leisten, auf Gründerinnen zu verzichten.

    Das gilt im Übrigen nicht nur für Deutschland, wo die Gründer-Bereitschaft ohnehin nicht sehr ausgeprägt ist, sondern auch für Start-up-Nationen wie Israel oder die USA. „Brotopia“ nannte die amerikanische TV-Journalistin Emily Chang vor kurzem die Tech-Branche im Silicon Valley, eine Art exklusiven Herrenklub, der Frauen systematisch ausschließt.

    Mädchen brauchen Frauen, zu denen sie aufblicken können 

    Aber wo liegt der Fehler im System? Nicht in den Ergebnissen. Studien beweisen, dass gemischte Teams in der Regel bessere Entscheidungen treffen und mehr Umsatz machen. Die Gründe sind also vielfältiger. Frauen sind oft weniger risikofreudig. Sie zweifeln mehr, hinterfragen häufiger. Das passt nicht in eine Branche, in der vor allem zählt, die eigene Idee - und auch die eigene Person - zu verkaufen. Dazu kommt: Die Geldgeber sind meist männlich, waren früher oft selbst Gründer. Sie fördern - häufig auch unbewusst - Menschen und Ideen, in denen sie sich selbst wiederfinden.

    Wer die Zahl der Gründerinnen steigern will, muss dort ansetzen - gleichzeitig aber auch schon viel früher, in der Kindheit. Mädchen belegen in der Schule und in der Folge an den Universitäten seltener naturwissenschaftliche Fächer als Jungen. Vielen fehlt der Zugang, manchen machen Mathe oder Informatik schlicht keinen Spaß. Dabei sind sie nicht schlechter in diesen Fächern, sie unterschätzen lediglich ihre Fähigkeiten - auch, weil viele Eltern und Lehrer die Mathe-Angst noch befeuern.

    Wie sich das ändern lässt? Durch weniger Klischees, durch Unterricht, der Spaß macht. Aber auch durch Vorbilder: Mädchen brauchen Frauen, zu denen sie aufblicken können. Die zeigen, dass es gut ist, sich für Technik zu interessieren. Und dass man zweifeln und am Ende trotzdem mutig sein kann.

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