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Leitartikel: Auf dem rechten Auge blind

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Leitartikel: Auf dem rechten Auge blind

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    Leitartikel: Auf dem rechten Auge blind
    Leitartikel: Auf dem rechten Auge blind

    Für den ersten Verantwortlichen hat die Pannenserie bei den Ermittlungen zu zehn rechtsradikalen Morden Konsequenzen: Heinz Fromm ist als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz zurückgetreten. Das ist gut, aber damit kann man es nicht gut sein lassen.

    Der Inlands-Geheimdienst steckt in der Existenzkrise, denn er hat ein bedenkliches Eigenleben am Chef vorbei entwickelt. Dass Fromm zurücktrat, ist konsequent. Dass der Geheimdienst-Chef sein Entsetzen im Interview öffentlich machte, ist ein ehrenwerter Versuch der Schadensbegrenzung. Denn Akten wurden vernichtet, Computerdateien nur lückenhaft geführt. Kein Wunder, dass man den Eindruck bekommt: Der Verfassungsschutz war auf dem rechten Auge blind. „Hierdurch ist ein erheblicher Vertrauensverlust und eine gravierende Beschädigung des Ansehens des Amtes eingetreten“, sagt ein zerknirschter Fromm.

    Man muss sich fragen: Sind viele Millionen Euro aus Steuergeldern gut investiert in einen Inlands-Geheimdienst, der bei der Suche nach den Mördern aus dem rechtsextremen Milieu eine so erbärmliche Figur machte: Von professioneller Ermittlungsarbeit war er so weit weg wie der Skisprung-Dilettant Eddy, the Eagle vom Sieg bei der Vierschanzentournee. Mitarbeiter agierten eigenmächtig im demokratischen Halbdunkel – konspirativ, unwillig zur Kooperation, erfolglos.

    Leitende Kripo-Beamte aus Bayern hatten bereits im Untersuchungsausschuss des Bundestages kritisiert: Als sie die Verfassungsschützer um Hilfe baten, ließen die sie monatelang schmoren, während das braune Trio weiter mordete. Rätselhaft ist auch, wieso ein Verfassungsschützer in einem Internetcafé war, als der türkische Besitzer – eines der zehn Mordopfer – getötet wurde. Gekrönt wird die Pannenserie jetzt durch eine Art Kölner Watergate: Der Referatsleiter Rechtsextremismus jagte wichtige Akten über die braune Szene in Thüringen einfach durch den Schredder. Das ist an sich schon fragwürdig. Aber warum passierte es just an dem Tag im November 2011, an dem der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich zog?

    Die Verfassungsschützer hatten versucht, Spitzel im rechten Milieu anzuwerben – genau in dem Personenkreis, zu dem das mörderische Trio aus Zwickau gehörte. Man ist gespannt, welche Erklärung der geschasste Fromm dafür am Donnerstag findet. Da soll er im Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Weil sich der penible Fromm darauf vorbereiten wollte, flog die Panne auf: Mitarbeiter hatten versichert, die Daten seien routinemäßig im Januar 2011 gelöscht worden, bevor das Trio aufflog.

    Erst vergangene Woche erfuhr Fromm, dass er belogen worden war: Am 10. November 2011 hatte er in Köln rund 90 Leute angesetzt, sämtliche Akten auf Hinweise zu durchforsten, die bei der Aufklärung der NSU-Morde helfen könnten. Am Tag darauf begann der Karneval in Köln – und der Referatsleiter entschied: Das Material sei alt, es sollte gelöscht werden. Es eilte so, dass eine Mitarbeiterin das binnen 24 Stunden erledigte, am Samstag.

    Was hat der Verfassungsschutz zu verbergen? War er gar beim Anwerben von Spitzeln so erfolgreich, dass einer der Mörder auf der Gehaltsliste des Geheimdienstes stand? Dann muss man fragen, ob die Kölner Schlapphüte wirklich die Verfassung schützen oder ob man die Verfassung vor ihnen schützen muss.

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