Der Vorschlag ist einer dieser ewigen Wiedergänger der politischen Diskussion, die Betroffenen können ihn schon lange nicht mehr hören: Um die innere Sicherheit zu erhöhen, soll die doppelte Staatsbürgerschaft abgeschafft werden. Gut, die Bundesregierung hat diese Forderung der Unionsinnenminister bereits zurückgewiesen, aber das Signal bleibt: Der Staat könne doch bitte erwarten, dass jeder seiner Bürger sich loyal zu ihm bekenne.
Klingt im ersten Moment gar nicht so unvernünftig. Ein demokratisches Gemeinwesen, ein offenes zumal, ist darauf angewiesen, dass möglichst viele ihren Teil beitragen. Warum dabei aber ein zweiter Pass ein Hindernis sein soll, das hat schon Edmund Stoiber mit seinem Spruch vom „Sicherheitsrisiko“ Ende der 1990er Jahre nicht schlüssig erklären können.
Im Grunde liegt der Forderung nationalistisches Denken zugrunde: dass nämlich die Zugehörigkeit zu einer Nation (und nur zu dieser) das innerste Selbstverständnis eines Menschen, seine Identität ausmacht.
Man kann in diesem Zusammenhang nicht oft genug auf den dritten Präsidenten dieser Republik verweisen, auf Gustav Heinemann, der auf die Frage, ob er diesen Staat denn nicht liebe, antwortete: „Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau. Fertig!“
Nur am Rande sei vermerkt, dass das ohnehin nicht geht: jemanden auffordern, jemanden oder etwas zu lieben.
Ganz abgesehen davon, dass die größte Gruppe der rund 4,3 Millionen Doppelstaatler mit 700 000 Mitgliedern die Polen sind, die bislang in Sachen terroristischer Aktivitäten eher unauffällig waren: Glaubt wirklich jemand, dass ein deutscher Pass einen Menschen davon abhalten kann, sich zu radikalisieren und gewalttätig zu werden?
Als 2014 die Optionspflicht abgeschafft wurde, als sich junge Menschen also nicht mehr mit 23 Jahren für eine von zwei Staatsbürgerschaften entscheiden mussten, ging es darum, Kindern aus Elternhäusern mit Migrationshintergrund Identitätskonflikte zu ersparen.
Nach Jahrzehnten mühsamer Diskussionen war eine Lösung gefunden und ein Angebot geschaffen worden, das ja auch zeigen sollte, dass die Politik verstanden hatte, dass sich Menschen, die in und mit zwei Kulturen aufgewachsen sind, nicht einfach für eine Zugehörigkeit entscheiden können. Und dass es auch keinen Grund gibt, sie dazu zu zwingen.
Die Verbotsforderung spiegelt also – ähnlich wie das Gefasel von der deutschen Leitkultur – die mehr oder weniger diffuse Angst vor Unbestimmtheit, Unkontrollierbarkeit, Unübersichtlichkeit. Vor unzuverlässigen Staatsbürgern, unsicheren Kantonisten und, ja, letztlich vaterlandslosen Gesellen.
Es wäre dennoch naiv zu behaupten, die Idee der Nation habe sich inzwischen überlebt. In fast allen Ländern der westlichen Welt machen sich Rechtspopulisten und Nationalisten diese Ängste zunutze und setzen ethnische, kulturelle, religiöse Vielfalt gleich mit Identitätsverlust und Chaos.
Trotzdem sind andere Zugehörigkeiten weit prägender als die zu einem Staat: zu Familie, Freundeskreis, Kollegen, Verein, Heimatort, Region. Die wenigsten Deutschen empfinden vermutlich Loyalität ausschließlich und unbedingt zur deutschen Nation. Und vor denen, die das tun, sollte man sich wohl eher in Acht nehmen.