Als Vater zweier Kinder, die in absehbarer Zeit (vermutlich) ihr Abitur ablegen, müsste ich eigentlich ins Rathaus gehen – und für das Volksbegehren „Nein zu Studienbeiträgen in Bayern“ unterschreiben. Oder? 1000 Euro pro Kind und Jahr, wie sie die meisten Hochschulen im Freistaat erheben, sind schließlich eine Menge Geld – für die Studierenden und ihre Eltern.
Ich bin noch nicht im Rathaus gewesen, ich habe nämlich Zweifel. Zweifel, dass ohne die Gebühren auf Dauer die Ausbildung der Studenten, also unserer Kinder, leidet. Seit Einführung der Beiträge anno 2007 haben sich nämlich die Studienbedingungen vielerorts massiv verbessert. Da wo früher, etwa in den Geisteswissenschaften, Seminare mit über 100 Teilnehmern keine Seltenheit waren, sind die Lerngruppen deutlich kleiner geworden. Ähnliches gilt für Praktika in den Naturwissenschaften. Die Ausstattung von Labors und Bibliotheken wurde verbessert, das meiste Gebührengeld aber fließt in zusätzliches Personal – an der Universität Würzburg nach eigenen Angaben 70 Prozent. Studenten werden deutlich besser als zuvor betreut. Ein Fakt, den im Kern niemand bestreitet.
Deshalb fordern die Initiatoren des Volksbegehrens, das Geld, das bislang Studenten und ihre Eltern aufbringen, müsse künftig aus dem allgemeinen Steueraufkommen an die Hochschulen ausbezahlt werden. Momentan ist Wahlkampf – und die Finanzlage des Freistaats ist ausgesprochen gut. Was aber, wenn die Steuern nicht mehr ganz so sprudeln, wenn die Verteilungskämpfe wieder heftiger werden? Dann drohen diese Mittel wieder mit sonstigen Hochschulinvestitionen verrechnet zu werden. Oder mit den Geldern für die frühkindliche Bildung, wo ja auch alle politischen Parteien mehr versprechen, als sie jemals halten können.
Fraglich auch, dass es gelingen kann, für „Studienbeiträge aus dem Staatshaushalt“ die aktuelle Form der Mitbestimmung von Studenten zu erhalten. Bei der Verteilung der Gebühren reden die Studierenden nämlich mit – wie sonst nirgendwo an der Hochschule. So schaffen die Beiträge auch Bewusstsein für den Wert des Studiums. Für viele Fach- und die Meisterschulen muss schließlich auch bezahlt werden.
Andererseits, wenn Bildung der Rohstoff ist, an dem unsere Zukunft hängt, wie es in den Sonntagsreden der Politiker immer heißt, muss sie dann nicht – unabhängig vom Geldbeutel des Einzelnen und seiner Eltern – gratis angeboten werden? Berechtigte Frage auch: Wenn niemand sonst in Deutschland Studienbeiträge verlangt, warum ausgerechnet das reiche Bayern? Ist es gerecht, wenn der Freistaat über den Länderfinanzausgleich das kostenfreie Studium anderswo mitfinanziert, während die Studenten hierzulande zahlen?
Es gibt gute Argumente für, es gibt gute Argumente gegen Studiengebühren: Es ist eine Debatte wert, sie gegeneinander abzuwägen. Leider wird diese Debatte aktuell nicht geführt, weil die Regierungspartei CSU nicht will. Statt mit der FDP offensiv für die Beiträge zu werben und den Hochschulen beizustehen, ducken sich die Christsozialen weg – in der stillen Hoffnung, dass das Volksbegehren an der Zehn-Prozent-Hürde scheitert. Und wenn nicht, kann man immer noch einknicken, so die CSU-Linie. Bloß keine Diskussion. Das ist feige.
Aber deswegen fürs Volksbegehren unterschreiben? Nein, taktieren sollen die anderen.