Jetzt soll es also doch eine Steuer auf Finanzgeschäfte richten. Die Idee des US-Ökonomen James Tobin ist seit Jahren eine Grundforderung der Globalisierungsgegner. Angela Merkel lehnte sie lange und entschieden ab. Doch wie schon in der Energiepolitik beweist die Kanzlerin erneut enorme Wandlungsfähigkeit und hat sich mit der aus dem linken politischen Lager kommenden Börsensteuer angefreundet.
Angestoßen wurde sie dabei vom französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Dem aber geht es vor allem ums eigene Überleben. Nimmt er doch seinem in allen Umfragen führenden sozialistischen Herausforderer François Hollande ein wichtiges Wahlkampfthema für den Urnengang im Mai.
Eine politische Entscheidung muss aber nicht falsch sein, nur weil sie unter dem Druck anstehender Wahlen getroffen wurde. Ein Alleingang Frankreichs allerdings wäre nur ein Wahlkampfgag. Denn von Frankfurt, London und New York aus könnte fleißig weiter spekuliert werden.
Hat die FDP am Ende recht, wenn sie sich gegen eine Finanztransaktionssteuer stellt, die nicht mindestens in der kompletten Europäischen Union – also auch in Großbritannien – eingeführt würde?
Denn was nützt es, wenn in ein paar Ländern das Abzocken erschwert würde, während es nebenan erlaubt bliebe? Kritiker einer Finanztransaktionsteuer führen deshalb stets die Tatsache ins Feld, dass sie nur wirksam wäre, wenn sie weltweit eingeführt würde. Damit aber ist sie auch schon beerdigt. Denn weder die USA noch Großbritannien würden mitziehen. Sie fürchten um die Bedeutung ihrer Finanzplätze London und New York.
In der Tat könnten hochspekulative Finanzgeschäfte auf diese weniger regulierten Standorte ausweichen. Wer deshalb gegen die Finanztransaktionssteuer votiert, muss sich aber fragen lassen, ob er derartige Spekulationsgeschäfte überhaupt noch will. Einen Handel, bei dem mittels raffinierter Computerprogramme Geld im Sekundentakt in großen Mengen angelegt und wieder abgezogen wird. Es geht dabei nicht einmal um mittelfristige Investitionen, es geht allein um die Auslotung maximaler kurzfristiger Gewinnchancen, es geht um spekulatives Schmarotzertum. Die Zocker wollen nicht die Wirtschaft beleben, sondern das schnelle Geld machen. Und geht es schief, müssen die Steuerzahler die Rettungsschirme aufspannen.
Wer diesen hochspekulativen Handel mit Devisen, Aktien, Nahrungsmitteln und Staatsanleihen unterbinden will, darf nicht auf jene Staaten warten, die damit einen großen Anteil ihres Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften.
Statt die Transaktionssteuer abzulehnen, sollte man besser überlegen, ob man sie nicht so ausgestalten kann, dass sie schwer zu umgehen ist. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung etwa schlägt vor, die Steuerpflicht an das Land der Muttergesellschaft von Käufern und Verkäufern zu binden. Gelänge es dann, die Steuer in der Eurozone einzuführen, wären alle kurzfristigen Spekulationen auf den Euro, sowie Wertpapiere oder Staatsanleihen aus dem Euroraum betroffen, egal wo sie gehandelt werden.
Damit wäre weit mehr gewonnen als neue Steuereinnahmen: bessere Stabilität und größere Gerechtigkeit, weil erstmalig auch die materiell zur Verantwortung gezogen würden, die entscheidend am Ausbruch der Krise mitgewirkt haben.