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Leitartikel: Was Griechenland jetzt braucht

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Leitartikel: Was Griechenland jetzt braucht

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    Seit seinem Wahlsieg vor zehn Tagen ist Alexis Tsipras mehr denn je die dominierende Figur auf der politischen Bühne Griechenlands. Es ist keine Übertreibung, wenn man feststellt: Das Schicksal des Landes liegt in seinen Händen. Das führt zu der Frage: Was will Tsipras? Und was kann er? Für viele Griechen ist Tsipras offenbar alternativlos – trotz Bankenschließungen, Kapitalkontrollen, Rückfall in die Rezession und erneut steigender Arbeitslosigkeit. Auch die europäischen Partner beginnen, sich mit Tsipras zu arrangieren, seit der Grieche im Juli nach monatelangem Nervenkrieg kapitulierte, die Bedingungen des neuen Rettungspakets widerwillig akzeptierte und sich des linksextremen Flügels seiner Syriza-Partei entledigte.

    In den Augen mancher Europäer entwickelt sich der Störenfried Tsipras bereits zum Staatsmann – eine Rolle, die er diese Woche mit seinem Debüt bei der Uno-Vollversammlung in New York zu unterstreichen versucht. Seinen persönlichen Lebensstil hat Tsipras bereits angepasst: Er meldete seinen Sohn diesen Monat bei einer der teuersten Privatschulen des Landes an. Im August wohnte er in der Strandvilla eines Reeders und ließ sich mit dem Helikopter zu seinem Büro fliegen.

    Doch wie steht es um die Regierungsarbeit? Bei den Steuererhöhungen legt Tsipras Feuereifer an den Tag. Ab Oktober werden die Bürger massiv zur Kasse gebeten. Kein Wunder, denn die Kassen in Athen sind wieder einmal leer. Die Einnahmen liegen seit Januar bereits um mehr als vier Milliarden Euro unter dem Plan. Aber was nützen höhere Steuern, wenn der Fiskus sie nicht eintreiben kann? Wo bleibt die immer wieder angekündigte Reform der Finanzverwaltung?

    Tsipras drängt jetzt auf schnelle Schuldenerleichterungen für sein Land. Aber umgekehrt wird ein Schuh draus: Damit die Erleichterungen nachhaltig wirken, muss die Athener Regierung das Finanzproblem an der Wurzel packen und Reformen umsetzen. Sonst rutscht Griechenland schon bald wieder in die Schuldenfalle zurück. Wie schnell das gehen kann, hat gerade Tsipras demonstriert: Noch vor einem Jahr schätzte die EU, Griechenland brauche neue Hilfskredite von zehn Milliarden Euro. Nach nur sieben Monaten Syriza-Misswirtschaft wurden daraus 86 Milliarden.

    Der Schlüssel zur Lösung der chronischen Finanzkrise sind Strukturreformen, die Griechenlands Wirtschaft wettbewerbsfähig machen und das Land auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückführen. Reformvorgaben sind deshalb der wichtigste Teil des Anpassungsprogramms, das die neue Athener Regierung umsetzen muss. Die Liste der Aufgaben ist lang. Sie umfasst nicht weniger als 201 Punkte, die bis zum Juni 2018 abzuarbeiten sind. Dass der Katalog so umfangreich ist, liegt auch daran, dass die Vorgängerregierungen versprochene Reformen schuldig blieben. Bis Ende September sollte Athen 28 Punkte abarbeiten. Die meisten davon sind noch unerledigt – eine Folge der von Tsipras anberaumten Wahlen.

    Der scheint immer noch gefangen in seiner Ideologie einer dirigistischen Staatswirtschaft. Dabei sind die Voraussetzungen für Reformen jetzt günstiger als je zuvor. Drei Oppositionsparteien stimmten für das neue Rettungspaket. So eine breite Mehrheit gab es im Athener Parlament noch nie für ein Anpassungsprogramm. Tsipras bleibt das Fragezeichen.

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