Die Debatte ist weder neu noch originell. Sie taucht so regelmäßig auf wie das legendäre Ungeheuer von Loch Ness – und verschwindet ebenso schnell wieder, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Wie viele Länder braucht Deutschland? Sind 16, die noch dazu unterschiedlich groß, leistungsstark und somit lebensfähig sind, nicht ein Luxus? Wäre es nicht sinnvoller, die Kräfte zu bündeln und acht oder sogar nur sechs Länder zu bilden, die – jedes für sich – deutlich stärker wären?
Bislang galt, wer es auch nur wagte, diese Fragen zu stellen, als Totengräber des Föderalismus, als Zentralist, der den Menschen ihre Heimat und somit ihre kulturellen Wurzeln nehmen will. Gerade die kleinen Länder klammerten sich an ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, als hinge davon das Wohlergehen der Nation ab. Doch die Zeiten haben sich geändert. Es weht ein anderer Wind im Lande. Und er zwingt die Länder und ihre Regierungen, sich selbst infrage zu stellen sowie das Undenkbare zu denken und laut auszusprechen. Wer den Föderalismus erhalten und stärken sowie dauerhaft lebensfähige Länder als Gegengewicht zum Bund etablieren will, kommt an Fusionen und einer Neugliederung nicht vorbei. Deutlich weniger ist deutlich mehr.
Die beiden Föderalismusreformen haben die grundsätzlichen Probleme der Bund-Länder-Beziehungen nicht zufriedenstellend gelöst. Zum einen besteht der Kompetenzwirrwarr unverändert fort, zum anderen wurde der Wildwuchs bei den sogenannten horizontalen wie vertikalen Finanzströmen nicht bereinigt. Diese Thematik lässt sich nicht mehr auf die lange Bank schieben: 2019 laufen der Länderfinanzausgleich in seiner bestehenden Form und der Solidarpakt aus, ab 2020 gilt zudem die Schuldenbremse, die es den Ländern verbietet, neue Schulden aufzunehmen. Seit dem Sommer verhandeln die Finanzminister über eine komplette Neuordnung, noch in dieser Legislaturperiode muss entschieden werden.
Vor allem die Schuldenbremse entfaltet ihre Wirkung. Schon jetzt ist absehbar, dass die strukturschwachen Länder diese Vorgabe kaum einhalten können, sollte es keine Regelung geben, wie mit den Altschulden umgegangen wird, die ihnen die Luft zum Atmen nimmt. Selbst der strikteste Sparkurs kommt an seine Grenzen, wenn die Lasten der Vergangenheit höher sind als die Erträge der Gegenwart und ein Land das im Grundgesetz festgeschriebene Ziel von gleichwertigen Lebensverhältnissen nicht mehr erfüllen kann.
Weniger Länder braucht das Land. Dem Föderalismus ist nicht gedient, wenn die Länder, wie derzeit bei der Flüchtlingspolitik offenbar wird, nicht in der Lage sind, ihre originären Aufgaben zu erfüllen und am Tropf des Bundes hängen. Der Bund wiederum kann kein Interesse daran haben, dauerhaft eine Reihe von Habenichtsen und Bittstellern durchfüttern zu müssen, die neben den leistungsstarken Ländern nicht bestehen können.
Eine Länderneugliederung ist eine bloße Verwaltungsreform, mehr nicht. Die Angst der Menschen ist unbegründet. Wo Regierung, Parlament und Ministerialbürokratie sitzen, ist völlig unerheblich. Und dass man in einem großen Land weder seine regionale Identität noch seine kulturellen Wurzeln verliert, beweisen die Schwaben und Franken in Bayern, die Badener und Schwaben im „Ländle“ und die Westfalen in NRW jeden Tag aufs Neue. Deutschlands Vielfalt hängt nicht von der Zahl der Ministerpräsidenten ab.