Ihren ersten Präsidenten hat Angela Merkel in der Wohnung von Guido Westerwelle gemacht. Damals, im Februar 2004, kungelten die beiden Parteivorsitzenden die Personalie kurzerhand unter sich aus. Nachfolger des gesundheitlich angeschlagenen Johannes Rau wurde nicht der vermeintliche Favorit Wolfgang Schäuble, sondern der Seiteneinsteiger Horst Köhler, bis dahin geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds in Washington. Ein überraschender Präsident, ein unbequemer auch, aber eben auch einer, der zu früh und ohne Not das Handtuch warf.
Ob der Kanzlerin diesmal ein ähnlicher Coup gelingt? In jedem Fall ist die Ausgangslage vier Monate vor der Wahl des neuen Staatsoberhauptes um einiges herausfordernder – und das liegt keineswegs nur an der aufgeheizten Stimmung im Land und an der fortschreitenden Politikverachtung: Die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung sind kompliziert, die nächste Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus, ein über alle Lagergrenzen präsentabler und akzeptierter Kandidat ist nicht in Sicht.
Im Idealfall kommt die erste Frau im Amt heraus
Das macht die Suche schwieriger und die Absprachen mit den anderen Parteien auch. Im Idealfall kommt dabei am Ende die erste Frau nach elf Männern im Amt heraus, politisch beschlagen, mit etwas Abstand zur Berliner Tagespolitik, nicht zu konservativ, nicht zu links, nicht zu grün.
Auf den ersten Blick erfüllt ausgerechnet ein Mann diese Voraussetzungen noch am ehesten: Außenminister Frank-Walter Steinmeier. So kurz vor der Bundestagswahl wird die Union allerdings kaum den populärsten Sozialdemokraten zum ersten Mann im Staate machen. Das Gleiche gilt umgekehrt für Bundestagspräsident Norbert Lammert und die Bereitschaft der SPD, ihn zu unterstützen – wobei man bei ihm inzwischen gar nicht mehr so genau weiß, ob er überhaupt noch will, nachdem Angela Merkel ihn ja schon zweimal übergangen hat. Für Steinmeier wie für Lammert gilt überdies ein ungeschriebenes Gesetz der Präsidentenmacher: Diejenigen, die als erste genannt werden, weil ihre Namen und ihre Biografien so überzeugend klingen, haben am Ende meist das Nachsehen.
In der zweiten Kandidatenreihe drängen sich dafür umso mehr vermeintliche und tatsächliche Aspiranten. Annegret Kramp-Karrenbauer, die Ministerpräsidentin des Saarlandes? Wie Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, eine Vertraute von Angela Merkel – aber reicht das allein schon? Volker Bouffier, der Hesse? Ein Ministerpräsident von Format, der längst nicht so knorrig-konservativ tickt, wie es nach außen den Anschein hat, außerhalb der Union aber trotzdem nur schwer vermittelbar wäre.
Es kursieren jede Menge Namen und Zweifel
Winfried Kretschmann gar, die graue Eminenz der Grünen? Ihn könnten auch Rote und Schwarze wählen – aber ginge er nach Berlin, wäre vermutlich seine Koalition in Stuttgart am Ende. Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes? Hat angeblich schon abgewunken, wieder einmal. Die frühere Frankfurter Bürgermeisterin Petra Roth? Ursula von der Leyen schließlich? Kann schlecht Präsidentin werden, wenn sie irgendwann noch Kanzlerin werden will? So kursieren zwar jede Menge Namen, aber auch jede Menge Bedenken, Zweifel, Unwägbarkeiten.
Und die üblichen Verdächtigen? Wolfgang Huber, der ehemalige Landesbischof von Berlin? Friedrich Schorlemmer, der frühere Bürgerrechtler? Margot Käßmann gar? Die Autorin Juli Zeh? Der Deutsch-Iraner Navid Kermani? Keine Spekulation ist zu schräg und zu abwegig, als dass sie im Moment nicht irgendjemand in die Welt setzen würde – auch das sagt einiges über die Probleme der Präsidentenmacher aus. Joachim Gaucks Schuhe sind allen, die bisher genannt werden, mindestens eine Nummer zu groß.