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Libyen leidet unter einem Stellvertreterkrieg

Leitartikel

Libyen leidet unter einem Stellvertreterkrieg

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    Libyen schlittert in ein Inferno, die Kriegsparteien legen sich keinerlei Zurückhaltung mehr auf. Sämtliche Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen sind gescheitert. General Khalifa Haftar, der seit drei Monaten versucht, Tripolis zu erobern, rief den totalen Luftkrieg gegen die libysche Hauptstadt aus. Erstes schreckliches Fanal dieser Eskalation war das Raketenmassaker mit 44 Toten in einem Flüchtlingscamp im Vorort Tajoura. Dennoch konnte sich der UN-Weltsicherheitsrat auch diesmal nicht darauf einigen, dieses horrende Kriegsverbrechen einhellig zu verurteilen.

    Nach Syrien und Jemen ist Libyen die nächste nahöstliche Nation, auf deren Boden fremde regionale Mächte ihre Klingen kreuzen. Auf der Seite der international anerkannten „Regierung der Nationalen Übereinkunft“ in Tripolis stehen die Türkei und Katar. General Khalifa Haftars „Libysche Nationalarmee“ wird von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten hochgerüstet.

    Söldner aus aller Herren Länder sind auf dem Schlachtfeld

    Solche von außen kommenden Kontrahenten nehmen keinerlei Rücksicht auf die örtliche Zivilbevölkerung, von Migranten in Internierungszentren ganz zu schweigen. Stattdessen mischen immer mehr Söldner aus aller Herren Länder auf dem Schlachtfeld mit. Ausländische Kampfflugzeuge operieren völlig ungehindert, deren Piloten feuern auf alles, was ihnen ins Visier kommt. Gleichzeitig nutzen Dschihadisten das Chaos, um ihre Terrornetzwerke neu zu knüpfen.

    Das alles begann Ende März mit der mysteriösen Verhaftung des deutsch-tunesischen UN-Spezialisten Moncef Kartas, der in Libyen Verstöße gegen das UN-Waffenembargo aufspüren sollte. Mehrere Wochen lang ließ Tunesiens Geheimdienst ihn als angeblichen Spion im Kerker verschwinden – kurz nach dem offiziellen Staatsbesuch des saudischen Königs Salman in Tunis. Anfang April rief dann der von Riad protegierte Haftar seinen Sturmangriff auf Tripolis aus, eine Offensive, die inzwischen 730 Tote und 4000 Verletzte gefordert sowie mehr als 100 000 Menschen obdachlos gemacht hat.

    Tonnenweise ausländisches Kriegsgerät für beide Seiten

    Mittlerweile gibt es bei der Aufrüstung kein Halten mehr. Haftars Armee protzt im Internet mit Radpanzern jordanischer Herkunft. Im Gegenzug luden Milizenkommandeure in Tripolis Kamerateams in den Hafen, um ihnen das Ausladen von Panzerfahrzeugen, Maschinengewehren und Flugabwehrraketen aus der Türkei zu demonstrieren. Auch bewaffnete Kampfdrohnen, die auf beiden Seiten von ausländischen Spezialisten gesteuert werden, gelten nicht länger als militärisches Geheimnis. Als Haftars Generalstab vor einer Woche Hals über Kopf seine bisher wichtigste Angriffsbastion, die 80 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegene Stadt Garian, räumen musste, ließ er tonnenweise Kriegsgerät zurück, das meiste aus den USA und China, ursprünglich geliefert an die Vereinigten Arabischen Emirate.

    Den europäischen Mächten fehlt der politische Wille, das Unheil vor ihrer Haustüre zu stoppen. Die frühere Kolonialmacht Italien steht auf der Seite von Tripolis und ist froh, dass die libysche Küstenwache mehr und mehr Bootsmigranten wieder einsammelt und an Land zurückbringt. Frankreich wiederum stärkt General Haftar den Rücken, weil man ihm am ehesten zutraut, die Mittelmeergrenze abzudichten sowie das Unwesen von Milizen und Schleppern einzudämmen. Die nahöstlichen Machtrivalen in Abu Dhabi, Kairo und Riad sowie in Ankara und Doha wiederum denken nicht daran, das Feld zu räumen. Sie werden in Libyen weiter kämpfen lassen und dafür die Waffen liefern, bis alles in Trümmern liegt.

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