Es fehlen Pflegekräfte – weit mehr als die von der GroKo gebilligten 8000. Es fehlen Ärzte – vor allem auf dem Land. Und es fehlt in zu vielen Kliniken und Praxen an Zeit und Geld – um eine humane Betreuung Kranker zu gewährleisten. All das sind Probleme, aufgeschobene, weil teure Entscheidungen, die Jens Spahn als neuer Gesundheitsminister angehen muss. Oder müsste. Stattdessen urteilt der CDU-Politiker über die Entscheidung von Frauen in einer Notlage, die er gar nicht beurteilen kann. Das ist respektlos. Und es spitzt die jüngst entbrannte Diskussion um Paragraf 219a, der Werbung für Abtreibungen verbietet, unnötig zu.
„Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos. Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht.“ So hat sich Jens Spahn nun in einem Interview zum Streit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche geäußert. Die SPD wollte das Aus des umstrittenen Paragrafen. In den Koalitionsverhandlungen verzichtete sie, gab sich mit dem Versprechen, eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden, zufrieden. Spahns Aussagen allerdings, könnten nun das Aus für jede sachliche Diskussion des Gesetzestextes sein.
Keine Frau entscheidet sich leichtfertig für eine Abtreibung
Der Minister unterstellt Gegnern des Paragrafen 219a, das Leben von Tieren vehementer zu verteidigen als das eines ungeborenen Kindes. Dieser Zusammenhang ist irreführend. Keine Frau, die sich gegen eine Schwangerschaft entscheidet, tut dies leichtfertig. Eine solche Entscheidung ist sicher eine der schwersten im Leben. Eine, mit deren Folgen man sich am Ende, egal wie man sie trifft, unwohl fühlt. Eine, die die Betroffenen ein Leben lang nicht loslässt. Kompromisse gibt es da nie. Und mit Tierschutz hat das überhaupt nichts zu tun.
Auch geht es in der Debatte um 219a nicht darum, Schwangerschaftsabbrüche salonfähig zu machen. Spahn hat Recht wenn er sagt, eine Abtreibung sei „keine ärztliche Leistung wie jede andere“. Umgekehrt ist es auch für Betroffene keine Entscheidung wie jede andere. Aber gerade deshalb, sollte darüber gut informiert werden. Und genau darum geht es.
Information über Abtreibungen ja, Werbung nein
Abtreibungen sind in Deutschland grundsätzlich verboten, gleiches gilt für die Werbung dafür. Nur in Ausnahmen und nach eingehender Beratung haben Frauen die Möglichkeit, sich gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden. Im vergangenen November wurde eine Ärztin wegen Abtreibungswerbung zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie forderte daraufhin vom Bundestag mehr Informationen für Frauen über Abtreibungen und die Streichung des Paragrafen 219a. Die entsprechende Petition fand 150 000 Unterstützer. Das sollte Politiker beschäftigen, aber nicht von ihnen verdreht werden. Wie Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagt, geht es um Information. Nicht um Werbung. Das ist ein Unterschied – und der ist wichtig.
Werbung will von etwas überzeugen, oft zielt sie auf Profit. Das sollte es bei der Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung nicht geben. Information aber meint Aufklärung. Über Fähigkeiten von Chirurgen, Orthopäden oder Augenärzten kann sich jeder Patient längst frei informieren. Auch zu deren Leistungen gibt es Werbung. Auch hier gelten strenge Regeln. Gerade wenn es eben um ungeborenes menschliches Leben geht, sollte diese Trennung genauso geschafft werden.
Statt sich nach seinen Hartz-IV-Äußerungen erneut mit plakativen Aussagen profilieren zu wollen, sollte sich Jens Spahn genau darum kümmern: Darum, dass Informationen über Abtreibungen von qualifizierten und verantwortungsbewussten Stellen bereitgestellt werden. Darum, dass jede Betroffene Zugang zu ihnen hat. Und darum, dass sie eben nicht werblich, nicht beeinflussend oder von religiösen Interessen gefärbt werden. Das wäre ein respektvoller Umgang mit dieser schwierigen Entscheidung für betroffene Frauen.