Auch Alexandra Wolf verurteilt die Schmierereien in der Kiliansgruft der Neumünsterkirche in Würzburg. Die 44-jährige Frau wirft – wie bereits berichtet – dem langjährigen Personalreferenten und ehemaligen Missbrauchsbeauftragten der Diözese Würzburg vor, sie im Jahr 1988 im Exerzitienhaus Himmelspforten zum Oralverkehr gezwungen zu haben. Nun befürchtet sie, dass ihre Beschuldigungen gegen den Geistlichen, die sie an Ostern in einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ erstmals öffentlich gemacht hat, mit der laut Pressedienst des Ordinariats „gemeinschädlichen Sachbeschädigung“ in Zusammenhang stehen könnten.
Die Schmierereien in der Kiliansgruft beschimpfen den Angaben des Bistums zufolge den 2014 gestorbenen Generalvikar Karl Hillenbrand „auf unsägliche Weise“. Auch die Statue des selig gesprochenen Märtyrerpriesters Georg Häfner wurde beschädigt. Die katholische Kirchenstiftung Neumünster hat Strafantrag gestellt. Die Kripo Würzburg sucht Zeugen, wer verdächtige Personen am späten Sonntagnachmittag oder am Abend beobachtet hat (Hinweise unter Tel. 0931/457-17-32).
„Viele Menschen sind entsetzt und verurteilen diese Straftat und die Störung der Totenruhe öffentlich“, schreibt Alexandra Wolf in ihrer Stellungnahme. „Durch die Schmierereien wurden nicht nur Karl Hillenbrand getroffen und die vielen Menschen, die sich religiös verletzt fühlen – zu denen ich im Übrigen als Katholikin auch zähle – sondern auch ich in meiner undankbaren Rolle als Anlass, eine Straftat zu legitimieren.“ Die 44-Jährige aus dem Raum Würzburg befürchtet, dass viele Menschen die Schmierereien mit ihren Vorwürfen gegen den ehemaligen Missbrauchsbeauftragten der Diözese in einen Kontext bringen.
Im Herbst 2012 erfuhr Bischof Friedhelm Hofmann erstmals von den Anschuldigungen der Frau. Sie wurden bislang nur von einem Kirchengericht untersucht. Im Dezember 2015 kam die Nachricht der Kongregation für die Glaubenslehre aus Rom, dass das kirchliche Verfahren einzustellen sei. Nach den Berichten in den Medien hat die Staatsanwaltschaft Würzburg Ende März Ermittlungen aufgenommen.
Alexandra Wolf: „Auch ich distanziere mich von jeglicher Form von Gewalt.“ Eine Distanzierung sei für sie als Opfer aber zu wenig. „Ich würde da gern nach dem Warum fragen. – Warum und ab welchem Zeitpunkt erzeugt Gewalt Gegengewalt?“
Alexandra Wolf stimmt der Aussage der evangelisch-lutherischen Dekanin Edda Weise zu, die am Mittwoch gesagt hat, dass eine derartige Tat auf dem Weg zu einem sachgemäßen Umgang mit Missbrauchsvorwürfen im Bereich des Bistums Würzburg in keiner Weise weiterführe. Auch Josef Schuster, der Vorsitzendes des Zentralrats der Juden in Deutschland bezeichnete die Schmierereien als vollkommen inakzeptabel und in der Sache zudem ganz und gar kontraproduktiv.
Die Stellungnahme im Wortlaut
„Gewalt beginnt bei mir da, wo Schweigen beginnt, wenn Not herrscht. Wenn so lange geschwiegen wird, dass sich Opfer und Angehörige vollkommen ohnmächtig und allein zurück gelassen fühlen – dann passiert das wohl: das Farb-Fass läuft im wahrsten Sinne des Wortes über.
Wir haben ja nach meinem Schrei in der Öffentlichkeit die unsägliche Situation in Würzburg, dass sich offenbar neue Opfer gemeldet haben, die die gleiche Person beschuldigen. Wir haben unzählige Kommentare von Opfern, die darin bekundet haben, dass sie das gleiche Schicksal der Vertuschung und die absolute Unterlassung jeglicher Hilfe bezeugen können.
Und das Bistum? Es kontert mit einer Chronologie, die lückenhaft und zum Teil schlichtweg falsch ist. Und dann das Übliche: Das Bistum schweigt – um strafrechtliche Ermittlungen nicht zu stören. Dabei hat dieses Bistum sich auf die Fahnen geschrieben, das Opfer in den Mittelpunkt zu stellen. Es hat bis jetzt aber nicht reagiert, wie es der Auftrag der Kirche ist: mit Güte, Barmherzigkeit und Sanftmut.
Nun ist das Bistum selbst Opfer geworden. Ich empfinde ohne Frage tiefstes Mitgefühl mit all denen, die in ihren Gefühlen verletzt wurden, die um die Beschmutzung einer religiösen Stätte, um die Beschmutzung eines Kulturgutes trauern. Ich fühle Trauer, dass Gewalt Gegengewalt erzeugt.
Für mich ist Kommunikation die einzige Möglichkeit, eine Brücke von Verständnis und Versöhnung aufzubauen. Kommunikation sollte aber nie verletzend sein. Die Wand der Kiliansgruft ist da wohl der denkbar schlechteste Ort.
Ich, als Opfer, möchte in aller Aufrichtigkeit die Kirche in ihrem Opfer-Dasein in den Mittelpunkt stellen. Mit aller klaren Distanz zu Gewalt. Gewalt ist nie eine Lösung und wird es nie sein.
Ich möchte aber auch den Täter fragen? Warum hast Du das gemacht? Warum bist Du straffällig geworden? Weshalb war das Dein letzter Ausweg der Kommunikation? Mir fehlt vor allem eines: Barmherzigkeit, Sanftmut und Güte und die ernsthafte Suche nach Gerechtigkeit und Frieden“, so Alexandra Wolf.
Professor Klaus Laubenthal, seit 2010 der aktuelle Missbrauchsbeauftragte der Diözese Würzburg, zeigte sich verwundert über die vom Bistum veröffentlichte „Chronologie“. Er habe einige der dort aufgeführten Punkte anders erlebt, sagte er auf Nachfrage dieser Redaktion.