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„Mit linken Positionen ist man nicht in der Minderheit“

Leitartikel

„Mit linken Positionen ist man nicht in der Minderheit“

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    „Mit linken Positionen ist man nicht in der Minderheit“
    „Mit linken Positionen ist man nicht in der Minderheit“

    „Wer pfeift, hat dicke Backen, aber nicht viel im Kopf“ soll der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Franziska Drohsel gesagt haben, als sie mit roter Trillerpfeife seine Agenda 2010 auspfiff. Inzwischen ist die 27-jährige Berlinerin Bundesvorsitzende der Jusos – und in ihrer Partei noch immer ziemlich links.

    FRAGE: Wieso geht eine 15-Jährige heute in die Politik?

    Franziska Drohsel: Weil es in unserer Gesellschaft immer noch sehr viele Missstände gibt. Und weil ich es notwendig finde, dass jeder versucht, seinen Teil dazu beizutragen, dass sich das ändert. Ich denke da insbesondere an soziale Ungleichheit, aber auch an Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit.

    Insgesamt lässt das Engagement der Jungen doch zu wünschen übrig, oder?

    Drohsel: Meine Altersgenossen sind nicht unpolitisch. Auch wenn ich in Schulklassen gehe, merke ich, dass die Jugendlichen eine gute Wahrnehmung der gesellschaftlichen Probleme haben und es auch einen Unmut darüber gibt. Und ich habe das Gefühl, dass man mit linken Positionen heute gar nicht so in der Minderheit ist. Das war Ende der 90er Jahre anders. Gleichzeitig hapert es ein bisschen daran, selber aktiv zu werden. Die Skepsis gegenüber Parteien ist sehr groß. Auch bei der Frage, wie man das, was einen stört, kollektiv geändert bekommt, herrscht Skepsis.

    Sie sind nicht skeptisch? Weshalb engagieren Sie sich?

    Drohsel: Bei mir ist es schon der Glaube daran, dass man es zumindest versuchen muss. Wenn man nichts versucht, kann man auf gar keinen Fall etwas verändern. Der Gedanke hat mich immer getragen und trägt mich heute.

    Sind Parteien nicht unattraktiv für junge Leute?

    Drohsel: Parteipolitik ist sicher nicht das Attraktivste. Mir geht es immer darum, dass man mit seiner Politik auch die Partei und die Art und Weise, wie Parteipolitik gemacht wird, verändert. Wir wollen als Jusos deutlich machen, dass Politik nicht heißt, mit dem Aktenkoffer durch den Reichstag zu marschieren. Politik fängt da an, wo man sich mit Menschen darüber austauscht, was einen stört – und dann anfängt, etwas dagegen zu machen. Dass man das Freibad vor Ort verteidigt oder eine Gegendemonstration zum Naziaufmarsch organisiert.

    Was unterscheidet denn Ihre Generation von früheren Politiker-Generationen?

    Drohsel: Wir haben eine andere Lebensrealität. Gerade von der Generation der 68er unterscheidet uns die Angst vor Arbeitslosigkeit und letztlich auch vor Armut. Das ist heute sehr beherrschend. Die Jugendlichen fangen sehr früh an, ihren Lebenslauf gut zu planen: Genügend Praktika machen, Fremdsprachen lernen, möglichst schnell mit dem Studium fertig werden. Der soziale Druck trägt wahrscheinlich auch dazu bei, dass man weniger engagiert ist. Man sieht sich eher als Einzelkämpfer im Leben.

    Manch Jungpolitiker rennt doch auch schon mit Aktenkoffer durch den Reichstag und macht Politik der Karriere wegen.

    Drohsel: Karrieristen wird es immer geben. Mir geht es darum, dass man politisch tätig ist, weil man etwas verändern und gestalten will.

    Was stört Sie an der SPD?

    Drohsel: Im vergangenen Dreivierteljahr hat mich gestört, dass wir ellenlange Personaldebatten geführt haben. Und Debatten, die überhaupt nicht weitergeführt haben: Linkspartei hoch und runter. Wir müssen uns über die Probleme in unserem Land und auf der Welt austauschen und darüber, was man als SPD dagegen tun kann. Da sind wir inhaltlich an vielen Punkten gut aufgestellt, beispielsweise in der Bildungspolitik. Gebührenfreies Studiums, Ausbau der Kita-Plätze, längeres gemeinsames Lernen – alles sehr gut. Man sollte mehr darüber diskutieren, wie man das umgesetzt bekommt.

    Wie können die Jusos der SPD aus der Krise helfen?

    Drohsel: Wir tragen einen Teil dazu bei, dass unsere Partei jung und aktiv bleibt, und können sie vor Ort kritisch treiben. Und wir können versuchen die gesellschaftlichen Probleme anzupacken. Da steht die soziale Ungleichheit, die Schere zwischen Arm und Reich ganz oben.

    Hat nicht gerade die rot-grüne Koalition dazu beigetragen, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht?

    Drohsel: Man muss das auf jeden Fall kritisch diskutieren. Der Umstand, dass das mit einer SPD-Regierungsbeteiligung geschehen ist, ist skandalös. Ich würde die Hartz-Gesetzgebung auch kritisch bewerten.

    Sie bezeichnen sich als sehr links – wäre der Schritt zur Linken nicht konsequent?

    Drohsel: Ich bin noch immer überzeugt, dass man sozialen Fortschritt nur durch und über die SPD erreicht. Entweder man gewinnt die SPD für ein soziales Projekt oder man wird es in der Gesellschaft nicht durchsetzen können. Deswegen fand ich es als Linke immer notwendig, um die SPD zu kämpfen.

    Franziska Drohsel als erste Kanzlerin einer rot-roten Regierung – wie wäre das?

    Drohsel: Nicht vorstellbar.

    Aber Rot-Rot im Bund – ist das denkbar?

    Drohsel: Das ist offen. Man muss mit der Linkspartei die inhaltliche Auseinandersetzung suchen. Wenn es irgendwann einmal ausreichend inhaltliche Gemeinsamkeiten gibt und auch personelle Vertrauensgrundlagen, finde ich das nicht undenkbar. Aber es hängt davon ab, wie sich beide Parteien entwickeln.

    Wie wünschen Sie sich die Entwicklung Ihrer Partei?

    Drohsel: Ich wünsche mir, dass wir das Thema soziale Ungleichheit noch viel zugespitzter diskutieren und die Frage der öffentlichen Daseinsfürsorge wieder stärker in den Vordergrund stellen.

    Wie groß ist Ihre Sorge, irgendwann wie die anderen Politiker nur noch in den üblichen Floskeln zu sprechen?

    Drohsel: Aufpassen muss man da schon, das nicht zu übernehmen. Es ist wichtig, dass man mit Leuten spricht, die nicht in der SPD bei den Jusos sind. Aber allein wenn man in Berlin regelmäßig U-Bahn fährt, ist die Gefahr, dass man den Bezug zum normalen Leben verliert, nicht groß. Denn da bekommt man die Probleme unserer Gesellschaft serviert.

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