Nein, mit Entwicklungspolitik hatte Tanja Gönner bislang nichts am Hut. Sie war Umweltpolitikerin in Berlin, Umwelt- und Verkehrsministerin in Stuttgart. Nach dem Machtwechsel zu Grün-Rot unternahm CDU-Fraktionschef Peter Hauk geradezu Knieprozessionen, um Tanja Gönner in eine herausragende Position zu bringen. So tief saßen Wut und Trauer bei der Frau aus Sigmaringen-Bingen. Am Ende kam der Finanz- und Wirtschaftsausschuss heraus.
Nun ist die 42-jährige Juristin, die in ihrem Lebenslauf ihren Familienstand mit „ledig“ angibt, auf dem Absprung. Sie wird Vorstandssprecherin der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), einer staatliche Entwicklungshilfeorganisation, die unlängst in Kritik stand wegen ihrer „First-Class-Flüge zu den Armen“ („Frankfurter Rundschau“). Die Spitzenpositionen sind politisch besetzt. Dass Grünen-Chef Cem Özdemir Gönner „die nötige fachliche Qualifikation“ absprach, dürfte bei Schwarz-Gelb in Berlin die Wahrscheinlichkeit ihrer Wahl eher befördert haben. Denn Özdemir ist in Berlin Opposition, so wie Gönner zuletzt in Stuttgart Opposition war. Nun kehrt sie zurück in die Welt der Kfz-Oberklasse mit Fahrer und einem Gehalt von rund 200 000 Euro im Jahr.
Machtbewusst und ehrgeizig
Gönner stammt aus Sigmaringen. Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel hatte die junge Bundestagsabgeordnete als Sozialministerin nach Stuttgart geholt. Schon ein Jahr später war sie Umweltministerin und – zumindest seit dem Wechsel Annette Schavans in die Bundespolitik – die Vorzeigefrau der baden-württembergischen CDU: machtbewusst und ehrgeizig, von scharfem Verstand und arbeitsam. Sie ist in der Südwest-CDU nicht gerade geliebt, aber geachtet.
Als Ministerin arbeitete sich Tanja Gönner in ihre Themen hinein, kannte Details, die ihre Ressortkollegen erst mühsam in den Referaten anfordern mussten. In der Schlichtung zu Stuttgart 21 war sie es, die im großen Rund saß und mit eisernem Lächeln den Bahnhofsgegnern „mit Verlaub“ Paroli bot. Sie war das „Gehirn“ der Mappus-Regierung – und nach dem Machtverlust der intellektuelle Kopf der Teufel-Mappus-Rau-Riege in der CDU-Fraktion. Da allerdings zunehmend bissig und mit arroganten Zügen.
„Mit mir hat Tanja Gönner in dem ganzen Jahr kein Wort gewechselt“, erinnert sich ein Fraktionskollege. Während Plenardebatten zum Thema Verkehr hält sie spitz gegen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Ihre Sätze beginnen dann gern mit der Präambel „Stimmen Sie mir darin zu, dass . . ?“. Für Tanja Gönner ging es nach dem Verlust des Ministeramtes häufig ums Recht behalten, um die Pflege ihres eigenen Erbes. Einer Neuorientierung stand sie sich selbst im Wege. Mehrere Versuche, in höhere Ämter wie Landespartei- und Fraktionsvorsitz zu gelangen, scheiterten. Das hat sie nicht geschmeidiger gemacht.
„Wir sind erleichtert“, hört man deshalb auch aus der CDU-Fraktion in Stuttgart. Gönner stand auch ein wenig für die Unmöglichkeit eines Neubeginns als Oppositionspartei. In der Fraktion heißt es, die Kanzlerin habe Gönner, die wie Schavan zum Merkel-Netzwerk gehört, „einen Job verschafft“. Ein wenig half auch die der GIZ verordnete Frauenquote. Und für CDU-Landeschef Thomas Strobl findet sich eine Konkurrentin weniger für ein Berliner Ministeramt, sollte es 2013 noch einmal für die CDU in die Regierung reichen.
Trauer und Freude
Im Sommer wird Gönner wechseln. Für den Wahlkreis ist das bitter. Jahrelang wartete Gönner darauf, dass Ernst Behringer für sie den Platz als Landtagsabgeordneter freimacht. Nun, kaum ein Jahr nach der Erringung des Direktmandats im Wahlkreis Sigmaringen, schmeißt die Christdemokratin hin. Ihr Lebensmotto „Das eine tun, ohne das andere zu lassen“ hat ausgedient. Sie hat sich entschieden. Und tritt noch ein wenig nach.
Beim CDU-Ortsverband Schwenningen am Wochenende, als Gönners Wechsel auf den GIZ-Chefsessel noch nicht offiziell war, bedauerte ein Parteifreund: „Wenn Sie gehen, wird die personelle Decke der Landes-CDU ja noch dünner.“ Tanja Gönner überhörte den Zwischenruf nicht etwa, sondern bestätigte liebend gern: „Ich sage nur, die Personaldecke ist gering.“ Es gebe kaum „Führungspersönlichkeiten“. In der Fraktion der Christdemokraten kommen solche Sätze nicht gut an. „Ich bin einer von denen, der nichts taugt“, meint ein CDU-Nachwuchsmann mit bitterem Unterton. In Stuttgart dürften sich Trauer und Freude über Gönners Weggang die Waage halten.
Die GIZ
Die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurde 2011 von Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) aus unter anderem der ehemaligen GTZ und dem deutschen Entwicklungsdienst zusammengeführt. Für die GIZ arbeiten weltweit rund 17 000 Mitarbeiter, darunter 1140 Entwicklungshelfer. Zumeist bietet die GIZ Hilfe zur Selbsthilfe, etwa bei technischen Fragen. TEXT: gar