Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten
Leitartikel
Icon Pfeil nach unten

"Religiöser, optimistischer und gewaltbereiter"

Leitartikel

"Religiöser, optimistischer und gewaltbereiter"

    • |
    • |

    Martin Wagner (50), gebürtiger Würzburger und heute Auslandskorrespondent des Bayerischen Rundfunks in Washington spricht über die zweite Amtszeit von US-Präsident George W. Bushs, die Rolle der US-amerikanischen Leitmedien und die Eigentümlichkeiten des "american way of life".

    Frage: Wie erklären Sie sich den für viele Europäer überraschend klaren Wahlsieg von US-Präsident George W. Bush?

    Martin Wagner: Europäisches Wunschdenken hat mit der amerikanische Wirklichkeit oft genug wenig gemein. Für seriöse Journalisten war klar, dass es bis zuletzt spannend bleibt. Ausschlaggebend war letztlich das Thema nationale Sicherheit. George W. Bush hat hier die Standhaftigkeit - manche nennen es Sturheit - bewiesen, die man dem Kandidaten Kerry nicht zutraute.

    Bush junior steht für konservative Werte wie Familie und Glaube. Welche Rolle spielten religiöse Gruppen für den Wahlausgang?

    Wagner: Eine weit geringere als viele meinen. So hat Bush, in den elf Bundesstaaten, in denen auch die Homo-Ehe zur Abstimmung stand, weniger zugelegt als in den 39 anderen.

    Bleibt Bushs Wertekonservatismus eine Episode der Geschichte oder stehen wir am Anfang einer neuen Epoche "bewaffneter Moralpolitik"?

    Wagner: Die USA sind - um es plakativ zu formulieren - religiöser, optimistischer und gewaltbereiter als Europa. Dies war vor Bush so und wird auch nach ihm so bleiben. Viele haben diese grundsätzlichen Unterschiede immer noch nicht zur Kenntnis genommen. Von einer Epochenwende würde ich jedenfalls nicht sprechen.

    Sofort nach der Wahl setzte sich das Personalkarussell in Bewegung. Was wird anders unter Außenministerin Condoleezza Rice?

    Wagner: Nichts. Joschka Fischer kann sich auf ein gutes Arbeitsverhältnis mit Frau Rice freuen.

    Condoleezza Rice hat ein Buch über die deutsche Wiedervereinigung verfasst. Kann daraus auf eine besondere Verbundenheit der neuen Außenministerin zu unserem Land geschlossen werden?

    Wagner: Rice hat als Russlandexpertin unter Bush senior aktiv zur deutschen Wiedervereinigung beigetragen. Wir sollten ihr dafür Dankbarkeit entgegenbringen.

    Welche Irak-Politik wird die Regierung Bush in ihrer zweiten Amtszeit verfolgen?

    Wagner: Dieselbe wie bisher. Das Ziel ist ein demokratischer Irak ohne nukleare Ambitionen.

    Laut Bush liegen noch zwei weitere Mächte auf der "Achse des Bösen". Gibt es eine militärische Option Iran bzw. Nordkorea?

    Wagner: Da die Amerikaner derzeit genug im Irak zu tun haben, kann ich mir das nicht vorstellen. Eine militärische Intervention in Nordkorea würde obendrein einen schweren Konflikt mit dem benachbarten China heraufbeschwören.

    Clinton bemühte sich in seiner zweiten Amtszeit um eine Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Sind ähnliche Ambitionen Bushs vorstellbar?

    Wagner: Zu einer aktiveren Nahostpolitik wird es nur kommen, wenn die US-Regierung ganz sicher ist, in der Region etwas bewegen zu können. Der außenpolitische Schwerpunkt ist schon allein wegen der Präsenz von 135 000 amerikanischen Soldaten bis auf weiteres der Irak.

    Hartz IV, Agenda 2010 - viele Deutsche stöhnen unter den Reformen, die das Land wettbewerbsfähiger machen sollen. Werden diese Bemühungen in den USA registriert?

    Wagner: An internationalem Geschehen interessierten US-Bürgern ist natürlich nicht entgangen, dass die deutsche Konjunktur seit Jahren lahmt. Die Reformbemühungen werden jedoch nur von einer kleinen Minderheit verfolgt. Insgesamt ist das Deutschlandbild der Amerikaner nach wie vor sehr positiv.

    Haben die Kontroversen auf Regierungsebene nichts daran ändern können?

    Wagner: Nein. Auf allen Ebenen herrscht business as usual und auch in den Regierungsbeziehungen ist Tauwetter angesagt.

    Als USA-Korrespondent des Bayerischen Rundfunks liegt Ihr Lebensmittelpunkt seit Jahren in Washington. Welche deutschen Kulturleistungen vermissen Sie in den Staaten?

    Wagner: Am meisten fehlen mir ordentliches Schwarzbrot und gepflegte Weinstuben.

    Gibt es eine Würzburger Besonderheit, die Sie besonders vermissen?

    Wagner: Ja - die Atmosphäre und die Einkaufswelten in der Fußgängerzone einer deutschen Kleinstadt übertreffen jede amerikanische Mega-Mall. Übrigens gibt es unweit von Washington ein Restaurant namens "Würzburghaus". Der Bezug zu meiner Geburtsstadt geht aber leider nicht über den Namen hinaus.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden