Man kennt sich, schätzt sich und ist sich politisch immer noch nahe, auch wenn sich die Wege mittlerweile getrennt haben. Die langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach und Alexander Gauland, Mitbegründer und Vorstandsmitglied der eurokritischen „Alternative für Deutschland“ (AfD), kommen aus der als besonders konservativ geltenden hessischen CDU, die sich einst unter Alfred Dregger, Manfred Kanther und Roland Koch am rechten Rand der Union positioniert hat. Kein Wunder, dass sich Erika Steinbach eine Koalition der CDU mit der AfD vorstellen kann.
In der Union steht die streitbare Steinbach mit dieser Position zwar reichlich allein auf weiter Flur, gleichwohl hat sie die Führungsspitze aus der Lethargie gerissen und eine intensive interne Debatte angestoßen. Wie soll die Merkel-Partei, die in den vergangenen Jahren sichtlich nach links gerückt ist, mit der neuen Konkurrenz im konservativ-bürgerlichen Lager umgehen? Ignorieren? Bekämpfen? Oder gar koalieren?
Darauf setzen, dass die Neugründung ein Strohfeuer ist, wie einst die „Stattpartei“ oder die Piraten, das ebenso schnell wieder erlischt, wie es ausgebrochen ist? Darauf hoffen, dass die Partei, die bislang weder personell noch programmatisch gefestigt ist, an ihren internen Querelen zerbricht? Oder sie als politischen Konkurrenten ernst nehmen, der eine Lücke im Parteienspektrum besetzt und sich wie einst die Grünen nach Richtungskämpfen dauerhaft etabliert?
Nach der Europawahl ist klar, dass Merkels Strategie, die AfD komplett zu ignorieren, ebenso erfolglos war wie Seehofers Versuch, sie durch Lautstärke und noch eurokritischere Töne zu überbieten. Eine halbe Million Wähler wandten sich von CDU und CSU ab und gaben der AfD ihre Stimme, in Sachsen, wo Ende August ein neuer Landtag gewählt wird, kamen Bernd Lucke und Co. auf knapp über zehn Prozent. Dort wie in Thüringen und in Brandenburg, wo Mitte September Landtagswahlen stattfinden, könnte die AfD in die Parlamente einziehen und die CDU schneller als ihr lieb ist zwingen, Farbe zu bekennen.
Bislang gilt die einst von CSU-Chef Franz Josef Strauß ausgegebene Devise, dass es rechts der Union keinen Platz für eine demokratische Partei geben darf. Doch nachdem sich das linke Lager bereits durch das Entstehen der Grünen, der Linkspartei und der Piraten fragmentiert hat, droht auf der rechten Seite des Spektrums ein ähnlicher Prozess. Das Verschwinden der FDP wie der Modernisierungskurs der Union haben ein Vakuum geschaffen, das eine moderne konservative, marktliberale, den Bürgerrechten verpflichtete und demokratische Partei besetzen kann.
Da es zudem unwahrscheinlich ist, dass die CDU wieder zu ihren alten Positionen zurückkehrt, dürfte dieser Platz dauerhaft frei bleiben. Mit einer solchen Partei könnte die Union unter gewissen Umständen auch koalieren – wenn die inhaltlichen Schnittmengen groß genug sind und sich diese als ebenso verlässlicher wie gefestigter Partner erweist.
Ob allerdings ausgerechnet die AfD diese Partei ist, ist mehr als fraglich. In ihrem gegenwärtigen Zustand spricht wenig dafür, dass sie dauerhaft überlebt. Zu heterogen ist noch immer ihr Führungspersonal, zu unklar ihr politischer Kurs, zu diffus ihre Programmatik, ihre Forderung nach einer Rückkehr zur D-Mark ist rückwärtsgewandt, weltfremd und würde Deutschland enorm schaden.
Darüber hinaus hat sie wenig zu bieten. Vielmehr ist die AfD im Augenblick ein Sammelbecken von Enttäuschten und Frustrierten, die mal dieser, mal jener Protestpartei ihre Stimme geben.
Vor dieser Partei müsste die Union eigentlich keine Angst haben. Dass sie es dennoch hat, zeigt, wie verunsichert sie selber trotz ihrer jüngsten Wahlsiege ist. Dabei gilt noch immer das Motto, das einst Oskar Lafontaine ausgegeben hat: Nur wer von sich selber überzeugt ist, kann auch andere überzeugen.
Konservativ bis wirtschaftsliberal
Die Alternative für Deutschland (Kurzbezeichnung: AfD) ist eine deutsche Partei, die am 6. Februar 2013 gegründet wurde und bei der Bundestagswahl 2013 und der Landtagswahl in Hessen 2013 erstmals an Wahlen teilnahm. Nach der Europawahl 2014 stellt sie erstmals überregionale Mandatsträger. Parteisprecher sind die Bundesvorstandsmitglieder Konrad Adam, Bernd Lucke und Frauke Petry. Bisweilen auch als „Anti-Euro-Partei“ bezeichnet, wird die AfD in verschiedenen Politikfeldern als konservativ bis wirtschaftsliberal eingeordnet. Bestimmte politische Forderungen, Formulierungen und Mitglieder werden in Kommentaren und Analysen einiger politischer Beobachter in Forschung und Medien als rechtspopulistisch kategorisiert. Auf ihrem Gründungsparteitag am 14. April 2013 beschloss die AfD ein Wahlprogramm, das die Auflösung des Euroraums behandelte.