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WASHINGTON: Wie der Trump-Clan gezielt die Demokratie demontiert

WASHINGTON

Wie der Trump-Clan gezielt die Demokratie demontiert

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    US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen mit Abgeordneten der Republikaner zur Einwanderung.
    US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen mit Abgeordneten der Republikaner zur Einwanderung. Foto: Evan Vucci/AP

    Man muss sich das mal vorstellen: Der Justizminister einer westlichen Demokratie beruft sich auf eine Bibelstelle, um eine umstrittene Maßnahme seiner Regierung zu verteidigen. Ersetzte man „Bibel“ durch „Koran“ und „westliche Demokratie“ durch „arabischen Staat“, würde die Sache nachvollziehbar. Aber derlei in einem aufgeklärten, säkularen Rechtsstaat? Undenkbar – hätte man bis vor kurzem gedacht. Für die US-Regierung ein Leichtes – sie demontiert mit schwindelerregender Schlagzahl eine vermeintliche Selbstverständlichkeit politischer (und moralischer) Rechtschaffenheit nach der anderen.

    Der Justizminister zitiert Apostel Paulus, Römerbrief 13 („denn Gott hat die Regierung eingesetzt, um für Ordnung zu sorgen“), um das Auseinanderreißen von illegalen Einwandererfamilien und das Internieren kleiner Kinder zu verteidigen. Der Präsident erfindet Zahlen zu steigender Kriminalität in Deutschland – verursacht natürlich durch die unkontrolliert ins Land strömenden Flüchtlinge. Und legt dann noch nach, indem er – wie immer per Tweet – unterstellt, dass offizielle Stellen die tatsächliche Zahl der Verbrechen vertuschen.

    Crime in Germany is up 10% plus (officials do not want to report these crimes) since migrants were accepted. Others countries are even worse. Be smart America! — Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 19. Juni 2018

    If you don’t have Borders, you don’t have a Country! — Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 19. Juni 2018

    Die Liste der Absurditäten ließe sich endlos fortsetzen

    Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Anders gesagt, man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Die Halbwertszeiten für die jeweils absurdesten Aktionen aus dem Trump-Lager werden immer kürzer. Der Präsident agiert dabei mit Ansage. Einer Interviewerin hat er nach deren Darstellung erzählt, er verunglimpfe die Medien gezielt fortwährend als „Fake-News“-Produzenten, damit kritische Berichte über ihn weniger glaubwürdig wirken.

    Wie gesagt: All das hätte vor nicht allzu langer Zeit als undenkbar gegolten. Zumindest für ein Land wie die USA. Oder selbst für die USA, die sich in ihrer Geschichte einige unfähige bis kriminelle Präsidenten und allerhand völkerrechtlich kaum zu rechtfertigende Aktionen geleistet haben.

    Dabei ist das eigentlich Erschreckende, wie gut die Abnutzungstaktik funktioniert. Man sollte doch meinen, dass eine Bundesregierung mindestens den Botschafter des Landes einbestellt, dessen Präsident offensichtliche und verleumderische Lügen verbreitet. Weit gefehlt. Im Gegenteil: Dieser Botschafter macht seinerseits Trump-Politik, fordert Unternehmen auf, ihre Geschäftstätigkeit mit dem Iran einzustellen, oder kündigt an, die konservativen Kräfte in Europa stärken zu wollen.

    Das gezielte Ignorieren althergebrachter und bewährter Regeln

    Wäre man zynisch, würde man sagen, endlich mal ein Diplomat, der Klartext redet. In Wahrheit steht der Stil des neuen US-Botschafters Richard Grenell beispielhaft für das demonstrative Ignorieren althergebrachter und bewährter Regeln. Was hier passiert, ist die systematische Aushöhlung aller freiheitlich-demokratischen Grundsätze, wie wir sie kannten. Trennung von Staat und Religion? Teufelswerk. Menschenrechte? Sicherheitsrisiko. Klimaschutz? Welches Klima? Internationale Zusammenarbeit? America first.

    Die USA haben sich im Zustand kollektiver Paranoia in die Hände einer Regierung begeben, die diese Paranoia weidlich für sich zu nutzen weiß. Da ist es umso bezeichnender, dass sich der politische Diskurs neben den journalistischen Qualitäts-Leuchttürmen immer mehr in die Late-Night-Shows verlagert hat. Moderatoren wie Stephen Colbert, Jimmy Kimmel, John Oliver, Trevor Noah oder Seth Meyers schießen aus allen Rohren – geistreich, treffend und immer öfter beißend aggressiv.

    Die politischen Sachwalter einer freiheitlich-demokratischen, verfassungsmäßig geschützten Demokratie auch und gerade in Europa dagegen verharren in staunender Ratlosigkeit. Das ist angesichts der Skrupel- und Prinzipienlosigkeit der US-Regierung zwar verständlich. Langsam sollten sie sich aber eine Gegenstrategie jenseits halbherziger Stellungnahmen einfallen lassen. Sonst wird es irgendwann auch außerhalb der USA Zeit, sich vom Projekt Rechtsstaat zu verabschieden.

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