Berlin Als Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion steht die hessische Abgeordnete Christine Lambrecht eher selten im Rampenlicht. An dem Tag, an dem der Fall Edathy publik wurde, hat sich das schlagartig geändert: Die 48-Jährige gehört zu dem kleinen Kreis von Sozialdemokraten, die schon Ende vergangenen Jahres darüber Bescheid wussten, dass bei den Ermittlungen gegen einen Kinderporno-Ring in Kanada auch der Name ihres Parteifreundes Sebastian Edathy aufgetaucht ist. Das Gespräch mit unserer Zeitung ist ihr erstes Interview seit der Razzia bei ihm.
Frage: Erst die Diäten-Debatte, nun der Fall Edathy. Haben Sie es schon bereut, dass Sie nach der Wahl in der SPD-Fraktion Karriere gemacht haben? Vergnügungssteuerpflichtig ist ihr neuer Job im Moment ja nicht.
Christine Lambrecht: Das sicherlich nicht, aber mir war bewusst, dass ich eine Position übernehme, in der ich auch schwierige Debatten führen muss.
Sie klangen nach den ersten Berichten über die Durchsuchungen bei Edathy ehrlich entsetzt. Tatsächlich haben Sie seit Dezember von dem Verdacht gewusst. Wie passt das zusammen?
Lambrecht: Herr Oppermann hat mich darüber informiert, dass bei Ermittlungen im Ausland der Name Edathy auf einer Liste aufgetaucht sei, dass es sich dabei aber vermutlich um kein strafbares Verhalten handle. Das war im Dezember. Dann habe ich von dieser Angelegenheit nichts mehr gehört. Ich gebe zu, da war vielleicht auch ein wenig der Wunsch der Vater des Gedankens: der Wunsch, dass sich die Sache erledigt hat. Umso mehr hat es mich bestürzt, als ich vergangene Woche erfahren habe, dass dann doch gegen ihn ermittelt wurde. Wir sind beide 1998 neu in den Bundestag gekommen, wir hatten danach immer wieder miteinander zu tun und ich habe seine Arbeit sehr geschätzt.
CDU-Vize Armin Laschet hat Ihnen vorgeworfen, Sie hätten die Öffentlichkeit belogen. Warum haben Sie nicht gleich zugegeben, dass Sie schon vorab informiert waren?
Lambrecht: Von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover habe ich erst am Montagabend vergangener Woche erfahren. Wenn Herr Laschet sich die Mühe machen würde, genau hinzusehen und genau hinzuhören, dann würde er erkennen, dass ich nichts Widersprüchliches gesagt und schon gar nicht gelogen habe. Bei den Ermittlungen, von denen ich im Dezember erfahren habe, ging es um Ermittlungen im Ausland, in deren Zusammenhang der Name Sebastian Edathy aufgetaucht sein sollte. Dass die Staatsanwaltschaft in Hannover tatsächlich gegen Herrn Edathy vorgeht – das weiß ich erst seit dem 10. Februar spät abends.
Seit dem von Oppermann mit erzwungenen Rücktritt des früheren Innenministers Hans-Peter Friedrich sitzt das Misstrauen tief in der Union. Wie kommt die Koalition wieder zurück in die Spur?
Lambrecht: Indem wir uns mit kühlem Kopf wieder den Sachthemen zuwenden. Wenn ein Bundesminister gehen muss und man aus Unionssicht den Eindruck haben kann, dass dies die Folge einer SPD-Erklärung ist, ist das natürlich eine schwierige Situation. Tatsächlich aber hat Herr Friedrich selbst gesagt, er habe dem Druck nicht mehr standhalten können. Und diesen Druck haben wir nicht ausgeübt.
Der Innenausschuss hat in dieser Woche alle Beteiligten ausführlich befragt, darunter auch Sie und Herrn Oppermann. Ist die politische Aufarbeitung des Falles Edathy damit abgeschlossen?
Lambrecht: Im Innenausschuss sind alle Informationen auf den Tisch gekommen, die wir haben. Wir haben alle Fragen beantwortet, bis keiner mehr eine Frage hatte. Viele Unklarheiten, die jetzt eine Woche durch die Landschaft gewabert sind, haben wir ausräumen können. Die Sitzung war kein Tribunal, sondern ein sachlicher Austausch von Informationen. Niemand hat im Fall Edathy versucht, bewusst dem anderen zu schaden. Und ich glaube, das ist auch bei den Kollegen aus der Union angekommen.
Das heißt, ein Untersuchungsausschuss ist überflüssig?
Lambrecht: Wir haben nichts zu verbergen, das haben wir schon im Innenausschuss gezeigt. Wir haben aber auch bereits alles gesagt.
Im Streit um die Energiewende oder den Mindestlohn hat es zwischen Union und SPD auch schon vor dieser Koalitionskrise geknirscht. Haben CDU und CSU jetzt noch etwas gut bei Ihnen?
Lambrecht: So einen Kuhhandel macht niemand. Wir haben wichtige politische Entscheidungen zu treffen und sind nicht auf dem Basar. Da vertraue ich auch auf die Vernunft der Kollegen in CDU und CSU. Sachfragen besprechen wir ausschließlich auf Basis des Koalitionsvertrages.
Christine Lambrecht
Die SPD-Politikerin stammt aus Mannheim, wo sie am 19. Juni 1965 geboren wurde. Die Juristin und Verwaltungswissenschaftlerin hat einen Sohn.
Von 1992 bis 1998 war Lambrecht Dozentin für Handels- und Gesellschaftsrecht an der Berufsakademie Mannheim, von 1995 bis 1998 selbstständige Rechtsanwältin in Viernheim. Seit 2010 ist sie Vizepräsidentin der Bundesvereinigung des Technischen Hilfswerkes.
Mitglied der SPD ist sie seit 1982. In den Bundestag kam sie 1998 für den Wahlkreis Bergstraße. Von 2011 bis 2012 fungierte sie als stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Seit Dezember 2013 ist sie Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Text: rwa