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„Wir werden zur Kasse gebeten“

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„Wir werden zur Kasse gebeten“

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    Für Alexander Bagus und Thomas Cieslik ist es ein besonderer Tag: Am Mittwochabend laden sie zur Gründungsveranstaltung der Würzburger Freiheitsfreunde ein – ein Forum für Liberale jenseits der Parteigrenzen. Und sie können einen prominenten Gastredner begrüßen: FDP-Finanzexperte Frank Schäffler machte zuletzt Schlagzeilen mit seiner Kritik am Euro-Rettungspakt. Wir sprachen mit ihm über seine Thesen – und seine Rolle in der Westerwelle-FDP.

    Frage: Die größte Zukunftsangst der Deutschen ist laut Forsa die vor der anhaltenden Euro-Schuldenkrise. Steht uns ein neues Krisenjahr bevor?

    Frank Schäffler: Wir haben zumindest ein Bewährungsjahr für den Euro. Die Schuldenkrise in Europa ist längst nicht überwunden, wir stehen hier erst am Anfang. Insofern ist 2011 ein Schicksalsjahr für den Euro, keine Frage.

    Im Grunde versteht doch niemand mehr, worum es eigentlich geht: Staaten wie Griechenland oder Portugal, die schlecht gewirtschaftet haben, Banken, die für ihre Risiken nicht geradestehen können oder wollen – und sogenannte Finanzmärkte, die auf Teufel komm raus auf einen Zusammenbruch des Euro spekulieren. Und die Politik verstrickt sich in endlosen Debatten und scheint hilflos . . .

    Schäffler: Na ja, das Problem ist schon sehr komplex. Die Verschuldung der Staaten hat sich ja nicht über Nacht aufgebaut, sondern über Jahrzehnte. Und jetzt kommt es eben zu harten Einschnitten. Man kann eben nur das Geld ausgeben, das man einnimmt. Aber das ist notwendig, um aus dieser Verschuldungslawine herauszukommen. Man kann auf alte Schulden nicht einfach immer neue Schulden häufen.

    Jetzt mal Klartext: Wie lässt sich ein Zusammenbruch des Euro-Systems denn noch verhindern?

    Schäffler: Wir müssen zu einer Politik der Stabilität zurückkommen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass der Euro als Währung langfristig bestehen kann. Wir müssen Haftung und Verantwortung wieder zusammenführen. Es wurde fälschlicherweise ein Zusammenhang hergestellt zwischen der Verschuldung und der Stabilität des Euros. Das ist in den europäischen Verträgen nicht vorgesehen.

    Sie bezeichnen die Rettungsaktionen der Europäischen Union (EU) als „kollektiven Rechtsbruch“ . . .

    Schäffler: So ist es. Alle, die dagegen vorgehen könnten, haben sich darauf geeinigt, Recht zu brechen: die Europäische Kommission, die Mitgliedsländer und auch die Europäische Zentralbank. Gerade die EZB hat mit ihrer Politik des billigen Geldes die Krise mit verursacht.

    Wie sollte man dann also mit Ländern wie Griechenland umgehen? Raus aus der Eurozone?

    Schäffler: Griechenland muss für seine Schulden selbst verantwortlich sein. Doch Griechenland wird seine Schulden niemals selbst abzahlen können. Und das heißt, dass es sich im Zweifel mit seinen Gläubigern darauf verständen muss, wie man einen Cut der Schulden macht.

    . . . also ein Schuldenerlass?

    Schäffler: Ja, das ist gar nichts Ungewöhnliches. Das hat es in der Geschichte immer wieder gegeben, etwa in Argentinien oder in Russland Anfang der 90er Jahre.

    Wer zahlt für die Rettung der Währungsunion?

    Schäffler: Ganz einfach: Wir als deutsche Steuerzahler, denn wir sind der größte Nettozahler beziehungsweise Kreditgeber in diesem System. Und deshalb werden auch wir zur Kasse geben, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Da nützt uns der aktuelle Aufschwung nichts mehr?

    Schäffler: Ich glaube, wir müssen einfach Schlimmeres verhindern. Wir müssen sicherstellen, dass dieser Rettungsfonds eine einmalige Geschichte bleibt und nicht verlängert wird. Wir müssen den Euro wieder auf seine drei Säulen stellen: die Unabhängigkeit der Notenbank, die Stabilitätskriterien und die Regel, dass kein Land für die Schulden eines anderen eintritt.

    Sie stellen sich mit Ihren Thesen gegen die eigene Partei. Lassen Sie es auf einen Machtkampf mit Parteichef Guido Westerwelle ankommen?

    Schäffler: Nein. Ich sehe mich in der Tradition der FDP als Partei der marktwirtschaftlichen Orientierung und der Rechtsstaatlichkeit. Dass dieser Weg vorübergehend etwas geschliffen wurde, bedauere ich. Aber erst in dieser Woche hat die Bundestagsfraktion der FDP einstimmig beschlossen, dass einer Ausweitung des Euro-Rettungsschirms nicht zugestimmt wird.

    Sie gehören zu den prominentesten Vertretern des sogenannten „Liberalen Aufbruchs“. Wollen Sie die FDP damit zu einer anderen Partei machen?

    Schäffler: Wir wollen die FDP zu ihren Grundwerten zurückführen, das ist die einzige Chance, dass die Partei wieder in die Vorhand kommt. Ja, wir haben einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung: Die Menschen sind enttäuscht darüber, dass die FDP ihre Inhalte nicht durchgesetzt hat.

    Frank Schäffler, die Freiheitsfreunde und der Libertarismus

    Frank Schäffler Der FDP-Politiker gilt als einer der Finanzexperten seiner Partei, er ist seit vergangenem Jahr Mitglied im Finanzausschuss. Der 44-Jährige sitzt seit 2005 für die FDP im Bundestag. Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre war Schäffler von 1997 bis 2010 als selbstständiger Finanzberater für die Marschollek, Lautenschläger und Partner AG (MLP) tätig.

    FOTO: Deppisch Freiheitsfreunde Die Freiheitsfreunde bezeichnen sich als Netzwerk von deutschsprachigen Libertären, die in Städten und Regionen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz regelmäßige Treffen und Veranstaltungen organisieren. Die Freiheitsfreunde sind unabhängig von anderen Organisationen oder Parteien, auch wenn Mitglieder anderer Gruppierungen an Veranstaltungen der Freiheitsfreunde teilnehmen. Die Freiheitsfreunde verstehen sich als offenes Format, um alle Libertären unabhängig von bestehenden Organisationen zu vernetzen. Jede libertäre Organisation und jedes Unternehmen ist willkommen. Libertarismus

    Libertäre bezeichnen sich als „konsequente Liberale“. Der Begriff „libertär“ ist eine Rückübersetzung des englischen Begriffes „libertarian“, mit dem sich die „libertarians“ in den Vereinigten Staaten von den „liberals“ abgrenzen, die aus europäischer Sicht eher sozialdemokratische Prinzipien vertreten. Libertäre sind der Überzeugung, dass der Staat nur in den Bereichen per Zwang in das Leben des Bürgers eingreifen darf, wo der einzelne Bürger dies nicht selbst regeln kann. Libertäre sind nicht zu verwechseln mit Links-Libertären und Links-Anarchisten, die das Eigentum an Produktionsmitteln ablehnen.

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