Die Main-Post hat, wie einige andere Blätter, 20 der Opfer des Massakers von Oslo abgebildet (Samstag, 30. Juli, Seite 4). Erst nach ausgiebiger Diskussion war die Entscheidung dafür in der Redaktion gefallen – wissend, dass es Leser geben würde, die eine solche Präsentation kritisch sehen. „Gesichter der Leids“ lautete die Überschrift des Beitrages dazu. Und es meldeten sich Leser, die in den Abbildungen eine unnötige Verstärkung des Leids erkannten.
Die Redaktion respektiert dieses Argument. Sie hat aber einem anderen Gesichtspunkt mehr Gewicht beigemessen. Die Opfer sollten ein Gesicht bekommen. Sie entsprach damit dem Wunsch, der von Lesern nach solche Ereignissen oft vorgetragen wurde: Nicht Täter, sondern Opfer sollten im Mittelpunkt stehen. Das führt zu Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Es ist aber keine Sensationslust, wie sie noch nie gutzuheißen gewesen ist.
Der Deutsche Presserat hat 2010 Leitlinien geschaffen, die nach Amokläufen beim Abwägungsprozess in Redaktionen helfen sollen. Diese werden gegenwärtig überarbeitet. Am Freitag erfuhr ich in einem Gespräch mit einem Vertreter des Presserates, dass fortan darin die Persönlichkeitsrechte der Opfer höher bewertet werden sollen. Das würde bedeuten, dass Opfer nicht identifizierbar gemacht werden dürfen, wenn es sich nicht um bekannte Persönlichkeiten gehandelt hat.
Die Abwägungen des Presserates entstehen vor dem Hintergrund der Amokläufe in Erfurt, Emsdetten und Winnenden. Unsere Redaktion hält die Veröffentlichung norwegischer Opfer in dieser Form in einer deutschen Regionalzeitung für vertretbar. Damit wurde kein weiteres Mal zum Leid von Angehörigen beigetragen. Selbst norwegische Medien haben Opfer gezeigt. Auch dafür gibt es nachvollziehbare journalistische Gründe angesichts der besonderen Umstände eines weltweit schockierenden Massakers. Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder Sensationslust ist da kaum zu unterstellen.
Diskussionswürdiger ist es, dass am 25. Juli beim Beitrag „Die Visitenkarte des Massenmörders“ der Attentäter auch in dieser Zeitung groß im Kampfanzug mit Sturmgewehr zu sehen ist. Der Presserat schreibt, es sei wissenschaftlich belegt, dass Pressebeiträge Nachahmungstäter oder Trittbrettfahrer provozieren können und rät zur Zurückhaltung nach Amokläufen.
Aber auch für seriöse Informationen über Täter gibt es ein begründbares Interesse – etwa daran, wie eine Persönlichkeitsentwicklung ausgesehen hat, die in ein solches Massaker mündet. Am besten wäre es, man könnte so zur Vorbeugung beitragen.