Die Würzburgerin Bettina Schardt hat bei vollem Bewusstsein ihren Tod gesucht. Im ehemaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch fand sie dabei einen Helfer, einen, der hinterher damit an die Öffentlichkeit gegangen ist. Seine Pressekonferenz erregte bun- desweit immenses Aufsehen. Anhaltende Diskussionen über Sterbehilfe sind die Folge. Das Thema erreichte auch die ARD-Sendung „Hart aber fair“ von Frank Plasberg. Der blendete Leserbriefe der bis zuletzt engagierten Frau aus dieser Zeitung ein.
Ich setze mich aber nicht mit Sterbehilfe oder Sterbebegleitung auseinander und nicht mit dem Handeln des Herrn Kusch. Das geschieht umfangreich. Manchem Leser wird freilich aufgefallen sein, dass diese Zeitung im Gegensatz zu den meisten anderen Medien heute erstmals den vollen Namen von Bettina Schardt nennt. Bisher war hier nur von Bettina S. die Rede. Auch Fotos von ihr haben wir nie gedruckt. Mit den Gründen dafür beschäftige ich mich nun, nachdem es eine Reihe von Nachfragen gab.
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Menschen wirkt über den Tod hinaus. Das hat die Redaktion respektiert. Ist doch nicht zweifelsfrei geklärt, ob Frau Schardt die mediale Verbreitung ihres Bildes und ihres Namens wirklich wollte. Die Entschlossenheit ihres Auftretens im Video, vorgeführt von Roger Kusch, hat der Redaktion als Beweis nicht ausgereicht. Genügt hätte das Einverständnis naher Verwandter, also von Ehemann oder Kindern. Die gibt es aber nicht. Also verzichtete die Redaktion der Zeitung im Lebensraum der Verstorbenen auf den vollen Namen und ein Foto.
Noch entscheidender schien aber die ethische Sicht. Danach war das Ableben von Frau Schardt wie ein Suizid zu behandeln, denn sie führte ihren Tod selbst herbei. Und in solchen Fällen gebietet der Kodex des Deutschen Presserates den gedruckten Medien in der Berichterstattung äußerste Zurückhaltung.
Inzwischen hat sich die Situation aber gründlich geändert. Es zeichnet sich ab, dass Frau Schardt mit ihrem frühzeitigen freiwilligen Tod Geschichte geschrieben hat. Sie muss nicht mehr wie eine normale Persönlichkeit geschützt werden, sondern in ihr darf nun – juristisch betrachtet – zumindest eine relative Person der Zeitgeschichte gesehen werden. Ihr freiwilliger Tod hat im Lande eine Debatte über Sterbehilfe ausgelöst, an der großes öffentliches Interesse besteht. Das umfasst alle Informationen über ihre Person, die damit im Zusammenhang stehen. Namensnennung und Bildveröffentlichung sind nun für die Medien zu rechtfertigen.