Die „persönliche Meinung Ihres Kollegen, Herrn Czygan, zu den Studiengebühren interessiert mich kaum“, schreibt mir ein Leser. Er findet es unmöglich und unprofessionell, dass sie in der heißen Phase des Volksbegehrens abgedruckt wurde (siehe: „Keine leichte Entscheidung/Gute Argumente pro und kontra Studiengebühren“, 29.1.). Das habe früher sein Pfarrer vor einer anstehenden Wahl praktiziert, erinnert sich der Kritiker aus dem Kissinger Landkreis.
Nein, mit der möglichst unpolitischen Seelsorger-Rolle ist die Aufgabe von Journalisten nicht gleichzusetzen. Sie zielt weniger aufs Seelenheil, mehr auf politische Bildung. Mit eigenen Ansichten ruft sie aber gelegentlich den Ärger von Lesern hervor. Manche halten Kommentare von Journalisten grundsätzlich für überflüssig. Die sind aber wesentlicher Teil der Aufgabe, die man ihnen in der Demokratie zugedacht hat. Hilfsweise zitiere ich aus der „Spiegel“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (1969), die oft richterliche Bestätigung fand: „Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang [...] in ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung.“
Diesem hohen Anspruch wollte man gerecht werden, besonders am 29. Januar. Auf der Titelseite war der aktuelle Stand des Volksbegehrens dargestellt. Im Leitartikel hat Michael Czygan das Für und Wider von Studiengebühren abgewogen, zunächst noch unschlüssig. Deshalb stand dazu in einer anderen Leserzuschrift: Dann solle er doch „sein Maul halten“. Das hat er nicht, sondern seine persönliche Entscheidung noch deutlich gemacht: Er werde nicht für das Volksbegehren „Nein zu Studiengebühren“ unterschreiben.
Wie wir heute wissen, haben sich genug Leute anders als der Autor jenes Leitartikels entschieden. Das zeigt einmal mehr, dass die verbreitete Vorstellung trügt, ein Meinungsbeitrag in der Zeitung verändere wirksam das Meinungsbild. Gerade dem kritisierten Beitrag ist diese Absicht kaum zu unterstellen, trotz der persönlichen Note am Ende.
Die Überparteilichkeit der Redaktion stellt ein Kommentar nicht infrage, selbst wenn er in der Sache Partei ergreift. Wegen der begründeten Meinung eines Autors, wird diese Zeitung nicht zum Organ der FDP, weil auch die zu Studiengebühren steht.
Fazit: Der Leitartikel sollte zur Abwägung der Meinungen beitragen, besonders in dieser heißen Phase.