LESERANWALT

Leseranwalt: Als sich in der Zeitung der Mond zu spät vor die Sonne schob

Wie kommt es zu redaktionellen Auswahl-Entscheidungen und was ist bei einer Überschrift passiert? Leseranwalt Anton Sahlender hat Erklärungen für manches, das schief lief.
Dieses Foto der partiellen Sonnenfinsternis am 25. Oktober, aufgenommen bei Greußenheim im Landkreis Würzburg von Leser Artur Seubert, war am Tag danach auf der Titelseite der Zeitung. Eine Ankündigung des Himmelsereignisses vorab aber fehlte.
Foto: Artur Seubert | Dieses Foto der partiellen Sonnenfinsternis am 25. Oktober, aufgenommen bei Greußenheim im Landkreis Würzburg von Leser Artur Seubert, war am Tag danach auf der Titelseite der Zeitung.

Herr H.O. schreibt mir, man könnte meinen, die Redaktion wolle Leserinnen und Leser ärgern. Will sie zwar nie, aber ich verstehe ihn. Mutmaßt er doch diese Absicht ob des zeitgeschichtlichen Fotos, mit dem am 26. Oktober auf dem Titel der Zeitung von der partiellen Sonnenfinsternis vom Vortag berichtet wurde.

H.O. ist gewiss mit seinem Ärger nicht alleine, weil das seltene Phänomen nämlich erst dann verkündet wurde, als es schon vorbei war. Schade, denn erst im März 2025 beschattet der Mond bei uns wieder einen kleinen Teil der Sonnenscheibe.

Die Frage lautet: Wieso keine Ankündigung?

Personen, die sich regelmäßig nur über die gedruckte Zeitung dieser Redaktion informieren, könnte deshalb dieses Ereignis entgangen sein. Zur Begründung könnte ich gleichsam sagen: In dieser Zeitung hat sich der Mond zu spät vor die Sonne geschoben.

Kein Trost ist es für diese Leser, dass online auf mainpost.de alles rechtzeitig angekündigt war. Klar ist damit zumindest, die Information lag dieser Zeitung rechtzeitig vor. Weil folglich in der Redaktion niemand hinter dem Mond lebt, darf man fragen: Wieso hat sie ein für alle erlebbares Ereignis, dass sie für wichtig genug hält, um darüber hinterher mit einem Titelbild zu berichten, nicht auch für bedeutend genug gehalten, um es der Leserschaft zuvor anzukündigen?

Zeitungsleserinnen und Zeitungsleser leben nicht hinter dem Mond, sie haben Anspruch auf Aktualität
Foto: Anton Sahlender | Zeitungsleserinnen und Zeitungsleser leben nicht hinter dem Mond, sie haben Anspruch auf Aktualität

Eine Schwäche, die sie sich nicht oft leisten sollte, den auch Zeitungsleserinnen und Zeitungsleser leben keinesfalls hinter dem Mond. 

Überschrift vom Text nicht gedeckt: Tücken im Arbeitsablauf

Eine andere Schwäche, die er auf dem beschränkten Platz von Zeitungen ausgemacht hat, meldet mir Leser H.S.. Am 5. November las er auf der Seite "Zeitgeschehen" die Überschrift: "Lübcke-Mörder bereut und schweigt". Von der Reue aus der Überschrift ist im Artikel aber nichts mehr zu entdecken. Die Überschrift ist folglich vom Text nicht gedeckt. Weshalb, will nun H.S. von mir wissen.

Seine Frage verstehe ich. Ausgerechnet das, was zurecht wichtig genug für die Überschrift war, wurde dann für den Text als zu wenig bedeutsam gehalten. Und so ist das wohl passiert: Die komplette Fassung des Beitrages der Deutschen Presseagentur (dpa) wurde von der Redaktion in das Layout der Seite eingepasst. Das ging nicht ohne Kürzungen. Offenbar war aber die Überschrift bereits fertig formuliert, bevor die Reue des Mörders aus dem Agentur-Text der digitalen Löschtaste zum Opfer gefallen ist.

Ein Fehlgriff, richtig erkannt von Leser H.S.. Da gilt es in der Redaktion nun über einen besseren Arbeitsablauf nachzudenken.

Sinnstiftendes vermisst: Der Kummer einer gläubigen Leserin

Notwendigen Auswahlentscheidungen für Zeitungen, über die auch geforscht wird, entspringt der Kummer einer gläubigen Leserin. Er betrifft christliche Feiertage, die sich jährlich wiederholen, häufiger als eine Sonnenfinsternis. Die Frau vermisst in diesem Jahr sinnstiftende Worte zu Allerheiligen in der gesamten Zeitung. Nur in einigen Lokalteilen fanden sich Beiträge zu aktuellen Ereignissen des Feiertages.

Nichts zu Allerheiligen, viel zu Halloween? Eine Rivalität, die nicht passt

Tiefgehende Überlegungen zum Gedenken an alle Heiligen, die nach katholischer Auffassung in Gemeinschaft mit Gott leben, werden halt nicht jährlich zu Zeitungsartikeln gemacht und was aus der Religion heraus bekannt ist, damit wiederholt. Zuweilen wird dann aber kritisiert, es werde demgegenüber zu viel Aufhebens um heidnische Halloween-Gebräuche im Blatt gemacht.

Zu dieser Auffassung kann man durchaus gelangen. Da geht es aber um um einen anderen Umgang, um ein gruseliges Treiben. Einen Zusammenhang zwischen beiden Festen sieht man durchaus. Dennoch will es nicht recht passen aus dem Grusel und Nachdenklichkeit zu Allerheiligen eine Rivalität zu machen. Christen, die Glaubensinhalte bibelkonform haben wollten, gibt es ohnehin. Einer hat sich schon früher bei mir gemeldet

Empfehlung: Über Fehlleistungen nicht schweigen

In dieser Zeitung gibt es eine Korrekturspalte ("So ist's richtig"), in der regelmäßig die erkannten inhaltlichen Fehler korrigiert werden. Nach Fehlleistungen wie in den drei geschilderten Fällen geschieht allerdings nichts. Ich hielte es für gut, wenn die Redaktion auch darüber nicht schweigen und Erklärungen liefern würde. Solche Ehrlichkeit und Transparenz schafft ein Vertrauen, um das ich mich hier gerne bemühe.

Anton Sahlender, Leseranwalt

Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Auch naheliegende Leseranwalt-Kolumnen:

2022: "Warum die Bibel für unabhängige Journalisten nicht bindend ist"

2021: "Was ein doppelt erschienener Leitartikel zeigt"

2017: "Das passt nicht: Huren in der Überschrift, Prostituierte im Text"

2014: "Überschriftenfehler, wie sie nicht einmal alle Allerheiligen vorkommen dürfen"

 
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