Dem unbekannten Herrn, der mich stirnrunzelnd im Caféhaus vom Nebentisch auf "Die Verwandlung des Markus Söder" in der Zeitungsausgabe vom 13. Februar angesprochen hat, antworte ich hier. Zumal andere es andere Leserinnen und Leser ebenfalls interessieren könnte, weshalb auf einer ganzen Zeitungsseite mit acht Fotos hautnah geschildert wird, wie sich der Ministerpräsident in der Maske des Staatstheaters Nürnberg für sein Erscheinen bei der Kultsendung Fastnacht in Franken herrichten lässt. Wie es überhaupt zu dieser Zeitungspräsentation kam, darauf werde ich selbst am Ende ganz ungefragt antworten.
Was nicht jedem Fastnachter zuteil wird
An und für sich kommt ja der professionelle Schminkplatz schon als eine Botschaft bei Fastnachtern an. Solch eine Kulturwerkstatt wird schließlich nicht jeder und jedem von ihnen zuteil, schon gar nicht mit Maskenbildner, der seinen Ruhestand unterbricht. Aber es geht halt um den Ministerpräsidenten höchstselbst. Der bleibt sich in Tagen größter Narretei treu, indem er sich sinnhaftig in einem Staatstheater in einen Stammesältesten hat verwandeln lässt, der natürlich, so wie von ihm selbst erklärt, "Bayern durch die Stürme der Zeit führt".
Die Zweifel des Herrn vom Nebentisch
Ich empfange mit der Anfrage des Herrn vom Nebentisch auch dessen Skepsis: Hat es eines so umfänglichen Beitrages über eine ganze Zeitungsseite für eine Schminkaktion wirklich bedurft? Nein, das hat es sicherlich nicht. Aber es werden eben nicht alleine Nachrichten mit Tragweite verbreitet, sondern es bedarf für die Zeitung auch leichter Kost. Für die steht oft die Nähe zu Promis. Die hat schon so manche Seite gefüllt. Aber für Aufsehen gesorgt hat allemal auch früher schon Söder mit seinen Maskeraden. Und gerade ist nunmal wieder Fastnachtszeit.
Am Drumherum kommt die Lokalzeitung nicht vorbei
Auf der ganzen Seite anschaulich dargestellt und nachlesbar lässt sich Söder nun auch beim Schminken in der fünften Jahreszeit nicht lumpen. Plaudernd sorgt er für den Stoff, der wahrscheinlich leicht sogar für mehr als eine Zeitungsseite ausreichen könnte. Weil auch die TV-Fastnachtsendung aus Veitshöchheim messbar hohe Aufmerksamkeit im Lande genießt, ist sie für eine Vielzahl von phantasievoll maskierten Politikern, deren Humor auch nicht unumstritten ist, so etwas wie eine Pflichtsitzung geworden. So kommt die Lokalzeitung auch am ganzen Drumherum, das sich vorher und auch nachher abspielt, überhaupt nicht vorbei. Dass das nicht in der ganzen Leserschaft Gefallen findet, das nehmen bis zum Aschermittwoch am besten alle mit Humor. Dabei dürfen sich auch Spötter berufen fühlen.
Redaktion holt Genehmigung der Staatskanzlei ein
Fehlt noch meine ungefragte Antwort, die ich eingangs angesagt habe. Darin steckt die notwendige journalistische Transparenz, aber auch eine Nachricht: Die spricht Söder frei vom Verdacht, er selbst habe mit einem Schminkauftritt schon wieder gleichsam einen Baum medienwirksam umarmen wollen und die Medien eingeladen. Nein, ganz anders: Die Initiative kam nämlich nicht - wie man leicht annehmen konnte - von ihm, sondern von der Redaktion dieser Zeitung. Sie ließ sich die Direkt-Berichterstattung vom präsidiablen Schminktisch sogar zuvor in der Staatskanzlei genehmigen, weil Söders Kostüm ja stets so geheimnisumwittert sei. Naja, wohl nicht alleine weil es der Lokalzeitung um ein prominentes Drumherum geht, gewährte man staatsamtlich den Zugang zu Maske des Chefs.
Eine gute Idee aus der Redaktion
Warum erfahren die Leser nicht gleich im ausführlichen Bericht aus der Maske auch ganz ungeschminkt von der für die Schminkaktion eingeholten amtlichen Genehmigung? Aus der Redaktion kommt eine Antwort: Dann müsste doch auch jedem Interview mitgegeben werden, wie es zustande gekommen ist. Ja, das ist fürwahr eine gute Idee, erwidere ich der Redaktion auf diesen Vorbehalt.
Fällt der weg, würde es nicht nur einem Herrn vom Nebentisch weniger Stirnrunzeln bereiten.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
Frühere ähnliche Kolumnen des Leseranwaltes:
2009: "Wenn ein Narrenschiff in zotigen Untiefen auf Grund läuft"
2013: "Darbietungen und Berichte bedürfen in diesen Tagen einer besonderen Bewertung"
2015: "Amüsanter Schriftwechsel der in den Tagen der Fastnacht begann und wohl immer weiter geht ... "
2016: "Endgültiges Ende einer Zeitungsente im Gewand einer falschen Prinzessin"
2020: "Ein Protest, über den nicht berichtet wurde"