Es mag sein, dass von dem Schicksal, das ein Sänger bei mir abgeladen hat, auch andere schon betroffen waren. Er schreibt, als langjähriger Leser wisse er, dass er einen Vereinsbericht für die Zeitung inzwischen selbst machen und einschicken könne. So habe er als Schriftführer Text und Bild von einer festlichen Mitgliederehrung seines Chores der zuständigen Lokalredaktion gemailt, bei einer Nachfrage aber die erste Enttäuschung erlebt: Nichts war dort angekommen.
Jüngere Verwandte meistert Herausforderung
Nach weiteren Mail-Versuchen erfuhr unser Sänger, was seit längerem von dieser Zeitung kommuniziert und erklärt wird: Der Weg eigener Vereinsberichte in die Zeitung führt nur noch digital per Upload (hochladen) über www.mainpost.de/einsenden. Also auch der Bericht, der auf Papier gedruckt wird, soll papierlos versendet werden. E-Mail war gestern. Obwohl "mit dem PC ein bisschen vertraut", war dieses Hochladeverfahren dem Siebzigjährigen wohl etwas zu hoch. Sogar einer jüngeren Verwandten sei es zur Herausforderung geworden. Dennoch hat's dann funktioniert: Sein Ehrungsbericht war auf mainpost.de bald online zu erreichen.
Schriftführer offenbart Generationenproblem
Ein Dilemma blieb allerdings: Für unseren Schriftführer und weitere Chormitglieder blieb der Beitrag dort unsichtbar. Der Schriftführer offenbart mir dazu ein Generationenproblem: "20 Prozent unserer Mitglieder sind über 85 Jahre, 30 über 80, 40 über 70 und 10 Prozent über 60 Jahre. Stützen des Vereins schauen nicht ins Netz." Es fehle ihnen die Möglichkeit oder sie könnten nicht. Und er schreibt: Er verstehe der Verantwortlichen seiner Zeitung nicht, auch weil er im Jahr mehr als eine Monatsrente für ihr Erscheinen in Papier ausgebe.
Der Nachholbedarf im Online-Land
Ich verstehe den Sänger, der sich an mich gewandt hat. Leben wir doch bekanntlich (noch) nicht im Online-Wunderland. Da war vorliegend auch sein Wille unzureichend, der engagierten Ehrenamtlern eigen ist. Damit kam im aufgezeigten Fall einer für seinen Verein nicht selbst zum Ziel. Unser Online-Land ist eben kaum selbsterklärend, schon ob seines bekannten technischen Nachholbedarfs und längst nicht überall vorhandener persönlicher Akzeptanz für Veränderungen. Wenn die Erklärungen (die diese Zeitung bietet) überhaupt nötig machen, schrecken sie ohnehin ab. Aber die Zeitung muss trotz ihrer unverändert wichtigen Rücksicht auf den Behauptungswillen treuer Print-Abonnenten weiter digitalisieren. Da gilt es ein Spannungsfeld zu überbrücken. Denn es geht um Zukunft und pure Existenz, rückläufige Verkaufszahlen der Zeitung lassen das Ende des Papierzeitalters ebenso sichtbar werden, wie Mangel beim Rohstoff Papier.
Was vormals für Schwäche stand, soll aktuell zur Stärke werden
So erreicht die digitale Transformation jeden Winkel der Verbreitungsgebiete. Das ist eine Herausforderung für Redaktionen und Teile der eingeschworenen Leserschaft von Lokalblättern. Ersetzen doch bei Alltagsereignissen die Schriftführer, die dem Verein verpflichtetet sind, häufig die unabhängigen Journalisten. Das wird jetzt deutlicher sichtbar gemacht für die gesamte Leserschaft. Vor Jahren ist das für viele Kritiker nicht akzeptabel gewesen. Es stand mindestens für Schwäche. Kritik ist geblieben. Nun soll aus der Verlagerung der Vereinsberichterstattung aber Stärke erwachsen. Redaktionen wollen darüber Freiräume für schwierige und aufwändige Einsätze gewinnen. Das ist ebenso Konzept wie der Erhalt unverzichtbarer Kontakte zur lokalen Basis diese Zeitung. Daraus entspringen alle Nachrichten und Themen. Zeichen vom Erfolg dieses Konzeptes gibt es. Aber urteilen sie selbst.
Ein Angebot an die Schriftführer
Angesichts gewandelter Welten hakt es zuweilen noch bei der Verständigung nach draußen. Ein Angebot darf ich deshalb speziell den Schriftführern machen: Redaktionelle Dienste und Sekretariate dieser Zeitung werden, wo nötig, über digitale Kalamitäten hinweghelfen. Geben Sie nicht auf. Fitness am PC muss keine Frage des Alters sein. Da wird es doch sogar zur Chance, über Vereinsberichte und deren Online-Übermittlung Erfahrungen zu sammeln. Der Bericht über die Ehrungen unserer Sängerschar ist ja schließlich auch noch auf Papier erschienen – leider erst zu lange nach dem Ereignis. Hoffentlich bleibt's eine Ausnahme.
Was ich 2013 geschrieben habe, sollte nicht übersehen werden: "Seitenweise nur Vereinsberichte - das würde sogar Vereinsmeier in die Flucht schlagen". Diese Gefahr besteht, wenn in Lokalteilen viele Seiten unter "Wir in .... " hintereinander veröffentlicht werden.
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Frühere ähnliche Leseranwalt-Kolumnen:
2022: "Die Fleißarbeit eines Lesers zeigt eindrucksvoll die Fleißarbeit einer freien Mitarbeiterin"
2022: "Wenn die Redaktion nicht kommt wie die Feuerwehr, wenn's brennt"