Seit Traktoren demonstrierend auf den Straßen unterwegs sind, ist auch der für Interessen der Landwirte streitbare Herr A.G. unentwegt der Redaktion auf den Fersen. Streng beurteilt er Berichte über Protestfahrten und deren Kommentierungen. Dafür hat er sich nun aber selbst Beachtung verdient.
Traktorendemos verlaufen für A.G., der selbst schon Veranstalter war, vorschriftsgemäß. Andere Protestzüge will der Landwirt da beispielhaft gegenübergestellt sehen. Am 10. Februar monierte er auch bei mir: "Sie haben online nichts zu dem Vorfall mit 21 verletzten Polizisten (!) bei der linken Demo in Berlin-Lichtenberg am 14.1. berichtet." Danach musste er auf mainpost.de vergeblich suchen, doch zumindest in der gedruckten Zeitung vom 16. Januar wurde ich für A.G. fündig: "Verletzte bei Gedenken an Luxemburg und Liebknecht", stand über der gesuchten Nachricht.
Löschung von Online-Kommentaren anderer Nutzer gefordert
A.G. hat von der Redaktion auch vergeblich gefordert, dass sie in ihrem Online-Forum die Kommentierungen von Nutzer W.M. zu einer Protestfahrt der Landwirte von Retzbach über Karlstadt nach Steinfeld löscht. Er sieht verletzt. Tatsächlich ist W.M. vorwurfsvoll mit einem Bauern-Auftritt bei der Protestfahrt ins Gericht gegangen. Er will gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, Nötigung, Freiheitsberaubung, Beleidigung und einen Geisterfahrer mit Traktor im Kreisel wahrgenommen haben.

In der Kontroverse darüber, findet sich erwartungsgemäß Widerspruch von A.G.: "Nach allem was von offizieller Seite (Polizei, Feuerwehr, Veranstalter), der anwesenden Journalistin und sonstigen ernst zu nehmenden Beobachtern überliefert ist, haben sich die Demo-Teilnehmer an Recht und Gesetz gehalten."
Kontroverse kann nervig sein - ist aber unverzichtbar
Ich werde die wiederkehrenden Dispute des unermüdlichen Landwirtschaftsstreiters mit Redaktion und Lesern nicht auflösen. Ich kann sie noch nicht einmal aufzählen. Wesentlich wichtiger ist es zu bewerten, dass er sich in den Foren der Tageszeitung mit Nutzerinnen und Nutzern auseinandersetzt. Seine Reaktionen mögen zuweilen für Beteiligte und betroffene Andersdenkende nervig sein, schon ob gelegentlich auch arg heftig geführter Kontroversen. Aber es bleibt auch in der Sache unverzichtbar, dass es die gibt. Dabei bleibt deren Kontrolle unerlässlich.
Druckzentrum blockiert und Auslieferung behindert
Erklären kann die demokratische Bedeutung von Diskursen in den Medien ein Blick nach Bremerhaven. Dort wurde, inszeniert von Landwirten und Unternehmern, vor dem Druckzentrum die Auslieferung der Nordseezeitung behindert. Grund: Unzufriedenheit mit Berichten über Bauernproteste. Der Verleger der Zeitung, Matthias Ditzen-Blanke, hat danach öffentlich und unmissverständlich klargestellt: Angriffe auf die Pressefreiheit durch physische Blockaden oder durch Angriffe auf die Integrität der journalistischen Arbeit seien nicht zu tolerieren. Aber die Notwendigkeit, den Dialog mit der Öffentlichkeit zu vertiefen, den erkennt auch er. (Die Nordsee-Zeitungen haben ihre Leserinnen und Leser übrigens trotz Behinderung erreicht).
Für ausgewogene Diskurse braucht es gegenseitigen Respekt
Erschwert sieht der Verleger im Dialog mit der Öffentlichkeit ausgewogene Diskurse - und zwar durch veränderte Mediennutzung, selektiv aufgenommene Informationen und weil Beteiligte oft in Echokammern steckten. Das führt zur Desinformation.
Dauerstreiter A.G. aber, den sehe ich hier unterwegs in einer vergleichsweise informierten Gesellschaft. Und die wünscht sich nicht alleine Ditzen-Blanke. Aber dazu braucht's Verständnis und Respekt. Genau da gibt es derzeit nicht nur bei Herrn A.G. noch Luft nach oben. Denn Dialog soll integrieren, nicht spalten.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
Dazu ergänzende Leseranwalt-Kolumnen
Mai 2022: "Warum Leserinnen und Leser in eigener Sache für Zeitungen werben sollten"
März 2018: "Leserbriefe stärken den demokratischen Diskurs"
Dez.2017: "Die Herausforderung: Vom Streit zum Dialog" und "Zeit für Gespräche mit dem Publikum nehmen"
Mai 2015: "Wenn das Smartphone zu einem neuen menschlichen Körperteil geworden ist"