Lesern ist in Briefen mehr erlaubt, als Journalisten in ihren Artikeln

Vergangene Woche habe ich erklärt, dass Autorinnen oder Autoren von Leserbriefen auch für den Inhalt haften. Es kann sie teuer zu stehen kommen, wenn sie nicht nachweisbare schwere Rechtsverletzungen Dritter als Tatsache feststellen. Zu erkennen, ob das der Fall ist, fällt oft schwer. Selbst Juristen streiten mitunter, ob Texte durch die Meinungsfreiheit gedeckte Wertung oder eine Feststellung falscher Tatsachen enthalten. Kein Wunder, wenn auch Leser mal Meinung mit Nachricht verwechseln. Ich komme darauf zurück.

Leserbriefe gelten grundsätzlich als Meinungsbeiträge. Als solchen ist ihnen mehr erlaubt, als in Artikeln von Journalisten möglich ist.

Wenn darin etwa geschrieben steht, dass ein Politiker, über den berichtet wurde, ein Lügner sei, dann ist das ziemlich hart. Das kann als Meinungsäußerung durchgehen, wenn sich dieser Vorwurf erkennbar auf ein Verhalten dieses Politikers bezieht. Auch für eine solche juristische Bewertung gibt es Entscheidungen höchster Gerichte.

Wird in Leserbriefen eine Person oder eine Institution einer ungesetzlichen, also einer strafbaren Handlung bezichtigt, dann sollten Nachweise dafür für die Redaktion zugänglich und nachvollziehbar sein. Andernfalls verbieten Sorgfaltspflicht und Verbreiterhaftung die Veröffentlichung. Im Übrigen sollte jeder Mensch, der durch solche Vorwürfe belastet wird, die Chance gehabt haben, selbst zu Wort zu kommen.

Leserbriefe mit Lügner- und Betrügervorwürfen oder mit Beschimpfungen bleiben nicht nur aus rechtlichen Gründen oft unveröffentlicht. Meist lassen sie ein Mindestmaß an Respekt vor anderen Menschen und Meinungen vermissen.

Die Unterscheidung zwischen Meinung und Nachricht oder zwischen richtig und falsch, fällt vielen Lesern schwer. Das zeigt eine aktuelle Zuschrift, in der einem Leser die „offensichtlich gesteuerte Kampagne gegen die Beamten auf die Nerven geht.“ Er schreibt: „In den letzten 14 bis 21 Tagen haben sie schon zweimal falsche Leserbriefe gegen Beamte im Hinblick auf die Pensionen veröffentlicht. Sie schüren bewusst gegen die Beamten.“ Und: „Falls noch so ein bewusst falscher Leserbrief erscheint, werde ich kündigen.“

Ich habe nur einen Brief am 24.1. gefunden. Eine Leserin schlägt darin vor, Beamtenpensionen wie Renten, zu berechnen, über den Durchschnitt des Verdienstes der gesamten Arbeitsjahre.“ – Nun hoffe ich, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass eine andere Meinung keine falsche Tatsache ist. Sonst müssten wir auf einen Abonnenten verzichten.

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