Ein Leserbriefschreiber aus Arnstein zeigt mir seinen speziellen Kummer mit dem Internet an: „Meine Leserbriefe waren alleine für die Zeitung bestimmt. Keinesfalls war es von mir beabsichtigt, dass sie von der Redaktion ins Internet gestellt werden, wo sie jetzt bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag nachzulesen sind.“ Der Mann fügt hinzu, dass er es als „eklatanten Vertrauensbruch empfunden“ habe, dass seine Briefe im Internet auf www.mainpost.de aufgetaucht seien. „Ich bin sicher, dass sich viele Leser zehnmal überlegen würden, ob sie unter solchen Voraussetzungen überhaupt noch einen Leserbrief an die Zeitung schicken sollten“, fügt er hinzu.
Ich kann ihn beruhigen. Für die meisten Schreiber ist die Verbreitung ihrer Ansichten im Internet sogar wünschenswert. Sie empfinden es als reizvoll, dass weltweit darauf zugegriffen werden kann.
So muss auch der Arnsteiner mit seiner Meinung in Leserbriefen nicht hinter dem Berg halten. Dennoch: Seine Warnung ist nicht unbegründet. Es besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass Inhalte, die im Internet auf www.mainpost.de stehen, sich weiter ausbreiten, also auch Leserbriefe. Bei den Zuschriften, die sich meist mit lokalen Nachrichten und Kommentaren beschäftigen, darf man aber vermuten, dass sie auch online nicht über die Region hinauskommen, für die sie schon in der Zeitung bestimmt waren. Aber dort können sie weiter existieren, selbst wenn sie an ihrem Ausgangspunkt, auf www.mainpost.de, gelöscht wurden. Über Suchmaschinen bleiben sie dann auffindbar, theoretisch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.
Wer das unbedingt vermeiden möchte, wer also will, dass seine Zuschrift ausschließlich in der Zeitung erscheint, soll das seinem eingeschickten Text ausdrücklich hinzufügen. Darauf weist die Redaktion immer wieder hin. Dieser Wunsch auf Ausschluss der Internetverbreitung wird berücksichtigt.
Ich denke aber, die Furcht vor dem Internet ist bei Leserbriefmeinungen oft übertrieben. Die können selbst Jahre später kaum gegen einen Autor verwendet werden, weil der sich meist schon genau überlegt hat, was er erst Lesern und dann dauerhaft dem Zeitungsarchiv überlässt. Selten ist das etwas Persönliches. Und im Netz lässt die massenhafte Kommentierfreudigkeit einzelne Meinungen verblassen.
Wissen sollte man, dass es kaum noch eine Zeitung gibt, deren Inhaltsvielfalt nicht online aufzufinden ist. Eine Meinungsfreiheit ist entstanden, die schwer einzuschränken ist, weil sie nicht nur Medien weltweit grenzenlos nutzen.