Der „innere Reichsparteitag“, bei der WM-Übertragung von ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein unbedacht ausgesprochen, wird diskutiert. Ich greife die interessante Ansicht eines Lesers, namens Horst, heraus. Ihn betrübt, dass wir Nazis bis heute erlauben, unseren Sprachschatz, vielleicht für immer, so zu beeinflussen, wie es kaum ein anderes Land zulassen würde. Wörtlich: „Wenn wir nicht mehr erwähnen dürfen, was einst durch die Nazis in den Dreck gezogen wurde, dann sind wir ein armes Volk!“
Horst meint auch, dass ich mich nicht dazu hergeben sollte, die „Bombenstimmung“ während eines Fußballspieles aus der Zeitung zu verbannen. Er glaubt nicht, dass sich alte Würzburger, die das selbst öfters sagen, darüber aufregen. Als Kind habe er hier die Bombennacht vom 16. März 1945 überlebt. Seit 1973 lebe er in England, wo er uns Deutsche gegen den Vorwurf der Humorlosigkeit verteidige. Er fürchtet einen schweren Stand bei seinen Freunden, wenn er nun von der Korrespondenz mit mir erzählt.
Horst hat auch, wie er betont, seinen Vornamen von 1938 behalten, trotz des Horst-Wessel-Liedes.
Ich antworte ihm, dass ich keine Kritik gegen diesen Vornamen kenne. Den trug zwar eine zeitgeschichtliche Person, die uns Mahnung bleiben sollte, er werde aber Menschen heute niemals angelastet. Der „Reichsparteitag“ dagegen, bezeichnet eine fanatische Propaganda-Inszenierung Nazi-Deutschlands. Die passt nicht zu Erfolgsgefühlen eines Fußballers. Überhaupt kommt es auf den Zusammenhang an. Worte sollten stimmig eingesetzt werden.
So halte ich – auch aus Respekt vor Zeitzeugen – eine „Bombenstimmung“ in (Sport-)Berichten nicht nur wegen trauriger geschichtlicher Erinnerungen für verfehlt. Dieses Wort wird stets unpassend gebraucht – für eine überschwängliche Stimmungslage. Mit Bomben hat die nichts zu tun. Die fallen dabei, Gott sei Dank, nicht.
Kriegsvokabular im Sportjournalismus muss unterbleiben. Martialische Worte sind in erfreulichem Kontext verfehlt. Sie verharmlosen Schreckliches. Bomben werden sprachlich zum Party-Ereignis. Und wenn es tatsächlich um das Grauen des Krieges geht, verfehlen diese Worte ihre Wirkung.
Die Vermeidung unseliger Begriffe aus der Nazi-Diktatur schränkt unseren Sprachschatz nicht ein. Dazu ist er zu reichhaltig. Schlimmer ist es, wenn bei unbedachtem Gebrauch Lehren der Geschichte an Kraft verlieren. Das ist Kern der Kritik an Müller-Hohensteins Ausrutscher vor einem Millionenpublikum.
Lieber Horst, sagen Sie Ihren Freunden, dass ich englischen Humor schätze, dass es aber gut ist, wenn wir in diesem Land nach „inneren Reichsparteitagen“ auch heute noch nicht zur Tagesordnung übergehen.