Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten
Leseranwalt
Icon Pfeil nach unten

Von eigenen und fremden Fehlern, von geneigten und abgeneigten Lesern

Leseranwalt

Von eigenen und fremden Fehlern, von geneigten und abgeneigten Lesern

    • |
    • |

    Fehler, Fehler, Fehler. Ich will keinen beschönigen. Im neuen Jahr, so voller guter Vorsätze, fällt das nicht leicht. Und ich will auch Ihnen, meine geneigten Leser, nicht die Laune verderben. Genau deshalb sollten Sie bitte mal wieder die „geneigten Leser“ sein. Mit dieser etwas antiquierten Anrede biedern sich Zeitungsschreiber gerne bei den Leuten an, die sie mit ihrer Arbeit zu beglücken glauben. Das war gebräuchlicher zu Zeiten, in denen noch mehr Leser Zeitungen im Sinne von zugeneigt, geneigt gewesen sind.

    Ich lenke damit nicht ab von Fehlern. Ich habe nicht nachgezählt, ob ihre Zahl gewachsen ist, wie mir Beschwerdeschreiben glauben machen wollen. Sicher ist, dass Fehler unübersehbar geworden sind, seit sie regelmäßig in der Zeitung richtiggestellt werden, das möglichst am folgenden Tag. Die verborgenen spätestens dann, wenn sie entdeckt sind. „So ist's richtig“ ist als Überschrift zu lesen, wenn was falsch gewesen ist. Damit wird Falsches selbst denen erst richtig erschlossen, die es bis dahin übersehen hatten. Folglich sollte einer Redaktion jeder Fehler einer zu viel sein. Zumal die Berichtigung als solche wie ein Pranger wirkt. Vielleicht deshalb verzichten die meisten Zeitungen auf diese institutionelle Selbsterkenntnis. Wir nicht.

    Die Chance ergreifen manche (besonders geneigten) Leser und schicken das „So ist's richtig“ gesammelt zurück in die Redaktion, in Papier und digital. Wenn sie so Fehler-Lerneffekte verstärken wollen, ist es anerkennenswert. Zuweilen schwant mir freilich, dass es (den weniger geneigten) Lesern wichtiger ist, Beschimpfungen mit dieser Fracht wegzuschaffen. Vielleicht wirkt es auf sie befreiend, mit dem Jahreswechsel bösen Ballast loszuwerden. Er wird hier angenommen und kommt nicht zurück. Moralischen Ausgleich schaffen ausreichend andere Zuschriften, solche, die loben und danken. Für die und überhaupt für jede sachliche Kritik sagt die Redaktion ihrerseits den Lesern Danke.

    Ich beuge noch demütig das Haupt mit einem Zitat: „Man soll jedoch von eignen und fremden Fehlern niemals, am wenigsten öffentlich reden, wenn man nicht dadurch etwas Nützliches zu bewirken denkt . . .“ Genau das denke ich. Nicht nur, weil das der weise Goethe in Dichtung und Wahrheit angeraten hat, sondern weil es auch wahr ist, dass Journalisten in Veröffentlichungen am wenigsten von eigenen Fehlern reden. So brauchen Sie des Lesers nützliche Kritik. Mehr als nur Dichtung ist es folglich, wenn ich gute Neujahrswünsche versöhnlich an alle geneigten Leser richte – an abgeneigte und zugeneigte gleichermaßen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden