Wissen Sie, was ein neuer Mensch ist? Wahrscheinlich nicht, weil Sie nicht mit mir auf einer Tagung von Journalisten in Köln (Forum Lokaljournalismus der Bundeszentrale für Politische Bildung) gewesen sind. Dort hat der Psychologe Stephan Grünwald, der für ein Institut im Auftrag von Zeitungen Leserforschung betreibt, erklärt, woran man diese neuen Menschen erkennen kann: Daran, dass das Smartphone zu einem Körperteil geworden ist.
Dialogfähige Journalisten
Zu solch einprägsamer Zuspitzung hat sich Grünwald hinreißen lassen, weil ihm Zeitungs-Redakteure zugehört haben. Die suchen bekanntlich ständig nach den richtigen Themen, mit denen sie auch die neuen Menschen erreichen. Denn die, sagt der Forscher, brauchen neue Themen. Welche, das verrät er nicht. Stattdessen erklärt er, dass es für Journalisten, die nicht dialogfähig sind, keine Zukunft gibt. Dabei geht es ihm vorwiegend um den Dialog mit Lesern, solchen, die sich einmischen und ihre Vorstellungen deutlich machen. Erschließen sich dabei ihre Themen?
Herausforderung im Net
Wenn ich diese Sätze für eingefleischte Leser gedruckter Zeitungen schreibe, könnte es sein, dass ich bei vielen Erstaunen auslöse. Das liegt daran, dass Sie wohl überwiegend keine "neuen Menschen" mit jenem kommunikativen "Körperteil" sind, das oft reale Gespräche bei Tisch stört. Hinzu kommt, dass Zeitungsleser von den Einmischungen wenig bemerken, weil sie meist nicht aktiv in den Netzwerken des Internets unterwegs sind. Sind sie das, könnten sie erleben, wie Journalisten auf kritische Leute treffen, die mitreden, darunter Smartphone-Nutzer. Und die lesen längst keine gedruckten Publikationen mehr. Sie fordern stattdessen die Kommunikationsfähigkeit der Journalisten heraus. Die werden dabei mit Quellen konfrontiert, mit trüben und klaren, die so vielfältig nur im Net sprudeln.
Was da auch immer sprudelt: Untersuchungen haben gezeigt, dass auch unter jungen Leuten (die oft zu den "neuen Menschen" gezählt werden) die Tageszeitung noch die größte Glaubwürdigkeit besitzt. Was leider in dieser Form nicht in Nutzer- oder Leserzahlen nachvollziehbar ist.
Vermehrung der "neuen Menschen"
Auch wenn es da keine Trennungsschärfe gibt, bemerken Sie gewiss, dass ich über zwei Gruppen von Mediennutzern schreibe: denen der Zeitung und denen des Internets. Zu letzteren zählt der neue Menschenschlag (siehe Grünwald), der sich unaufhaltsam vermehrt, und das seit Jahren, ganz im Gegensatz zur Leserschaft gedruckter Zeitungen. Diese Entwicklung ist unumkehrbar. Problem erkannt?
Recherche, Gegenrecherche, klare Haltung, Analyse, Einordnung von Nachrichten, das sind aber Stichworte, die für journalistische Medien über alle Entwicklungen hinweg in Stein gemeißelt bleiben sollen. Das gilt gerade digital, in allen möglichen Darbietungsformen und auf sämtlichen Empfangsgeräten, bis hin zur Armbanduhr. Ja, diese Watch bietet Apple mittlerweile in der ersten Generation für die Handgelenke der "neuen Menschen" an. Ob am Handgelenk oder als anderes Körperteil: Stärken journalistischer Medien dürfen keinem Trend geopfert werden.
Dialog üben und lernen
Und dann gibt es dazu noch eine These, die ich wieder gehört habe: Die schnelle Nachricht muss in der gedruckten Zeitung, die trotz schmerzhafter Einbußen noch immer gut lebt, mehr und mehr durch Hintergrund und Analyse ersetzt werden. Außerdem haben Sie als Leser das Wort, ganz gleich ob sie weiblich, männlich, alter, junger oder neuer Mensch sind. Denn Journalisten müssen weiter über das Zuhören den nicht immer einfachen Dialog mit Ihnen üben und dabei lernen. Das gehört schon zur Gegenwart und soll Zukunft sein.
Siehe Online: http://www.drehscheibe.org/weblog/2015/05/einordnen-dranbleiben-wandel-mitgehen/
Anton Sahlender, Leseranwalt