Zu tief in die Schüssel gegriffen? Diese Frage stellte sich dem Deutschen Presserat nach der Beschwerde eines Stadtrates, der sich durch eine Glosse unserer Zeitung in seiner Ehre verletzt sieht. Der Presserat hat nicht in seinem Sinne entschieden. Ich versuche, die von mir kurz gefasste Presseratsentscheidung zu erklären, ohne dass die betroffene Person über das Gebiet der Lokalausgabe hinaus, in der die Glosse erschienen ist, erkennbar wird. Mir geht es vielmehr um Grundsätzliches.
Der Glosse zugrunde liegen wiederholte Stadtratsdiskussionen über ein öffentliches WC. Jener Stadtrat meldete sich dazu häufig zu Wort. Das schlug sich in den Berichterstattungen nieder, mit deren Inhalt er auch nicht immer einverstanden gewesen ist.
In jener regelmäßig erscheinenden lokalen Glosse, aus der eine fiktive Tiergestalt spricht, stand geschrieben: „Der (hier las man den Namen des Stadtrates) war auf dem Weg, sich als Kloologe hohes Ansehen zu erwerben, hat aber nun tief in die Schüssel gegriffen. <....> Dass er damit auch die (hier stand die Tiergestalt)-Post in den Lokus, äh: 'Focus' rücken wollte, ging dann mal in die Hose.“ – Überschrieben war die Glosse mit „Dr. Toi und die Tücke des Objekts“.
Glossen sind satirische Betrachtungen. Journalisten üben mit dieser Stilform gerne Kritik. Die ist dann ironisch, zugespitzt oder zweideutig. Letzten Anstoß dazu gab im vorliegenden Fall die Erklärung jenes Stadtrates, dass er selbst diverse Toiletten inspiziert habe.
Nun entschied der Presserat, dass unsere Zeitung mit der Glosse den Schutz der Ehre nicht verletzt hat. Er erkannte keine Schmähkritik. Die gewählten Formulierungen seien, so wörtlich, „sicherlich sehr scharf“. Entscheidend sei aber, dass die damit „geübte Kritik einen Sachbezug hat“.
Der Presserat räumt ein, dass sich bei den verwendeten Wortspielen und Assoziationen Fragen des Geschmacks stellen können. Über Geschmacksfragen urteile er aber nicht.
Die Redaktion hat den in diesem Zusammenhang eindeutig zweideutigen Sprachgebrauch dem Volksmund zugeordnet, der gerade in eine lokale Satire passt. Sie hat sich dafür nicht entschuldigt, wie es der Stadtrat wollte. Sollte man doch als Kommunalpolitiker auch mal scharfe Kommentierungen von Verhalten ertragen können. Die gehören auch zu den Aufgaben von Medien.
Auch Leser urteilen über satirische Zuspitzungen unterschiedlich. Das ist meist wirklich eine Frage des Geschmacks – wie im vorliegenden Fall. Vor diesem Hintergrund vermag ich auch die Beschwerde des betroffenen Stadtrates zu verstehen.