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"Wir sind...": Zu was wir vielleicht noch alles gemacht werden

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"Wir sind...": Zu was wir vielleicht noch alles gemacht werden

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    Auch ich empfinde es nicht mehr als originell, wenn über einer Themenseite geschrieben steht, „Wir sind Nobelpreis“. Deshalb zitiere ich die Kritik des Lesers K.V., der das auch nicht mag, und verzichte auf keines seiner Satzzeichen:

    „Seit einiger Zeit fällt mir in der Main-Post eine unmögliche Schreibart auf: 'Wir sind Papst!' und 'Wir sind Nobelpreis‘ ( 13.10.2012 ). Was ist das für ein Deutsch!?!? Irgendwann schreiben Sie dann: 'Wir sind Irrenhaus‘ statt 'Wir sind verrückt‘. Muss das sein, dass keine normalen Sätze formuliert werden?!?!“

    Nein, Herr K.V., das muss nicht sein, eben so wenig wie überzählige Ausrufe- und Fragezeichen. Und eine Klarstellung ist nötig: Die Papst-Schlagzeile, die ist 2005 der „Bild“-Zeitung entsprungen. Mit deren Federn schmückt sich unsere Redaktion nicht gerne, selbst wenn sie auf der Welle der freien Nachahmer mitsurft. Mir fällt schon nicht mehr ein, was wir und andere seither alles gewesen sind. Gefühlt, sehr viel. Und ich bin gespannt, zu was wir vielleicht noch alles gemacht werden.

    Dass wir Papst geworden sind, diese falsche Tatsache brachte es nach der Wahl des bayerischen Kardinals Ratzinger zum Oberhirten der katholischen Kirche zum Kultstatus. Ein Umstand, der Falsches zwar nicht richtig, zumindest aber vorübergehend hoffähig macht. Auch das Volk nimmt medial penetrierte schräge Sprech-Moden schnell in den Mund. Etwa die von Giovanni Trapattoni, der seine an lustigen Passagen überreiche FC-Bayern-Wutrede mit jenem unvergessenen „ich habe fertig“ beendet hat. Nie zu überhören Verona Pooth, die uns das „da werden Sie geholfen“ geschenkt hat. Und: Mit wem hat wer nicht schon alles getanzt, frei nach dem Filmtitel „Der mit dem Wolf tanzt“. Übrigens: Laut Internet–Lexikon Wikipedia soll „Bild“ beim Marken- und Patentamt mit dem Versuch gescheitert sein, die Papst-Schlagzeile als Wortmarke schützen zu lassen.

    Die Originalität solcher Sprach-spielchen schmilzt bei häufigem Gebrauch dahin wie Butter in der Sonne. Zu ernsthaften Nachrichten passen sie oft gar nicht. Dem Friedensnobelpreis für die Europäische Union hätte ich eine Überschrift gewünscht, die mir nicht das Gefühl gibt, dieser Preis wäre vielleicht nicht mehr ganz ernst zu nehmen.

    Verrückt sind wir nicht, aber auch sonst niemand, nur deshalb, weil wir schräg daherreden. Dennoch, verehrter Herr K.V., nicht nur ich habe Sie verstanden. Nach ihrer Kritik ist freilich noch festzuhalten, dass es bei uns im Lande erfreulicherweise keine „Irrenhäuser“ mehr gibt, selbst wenn sich der Volksmund weiter hartnäckig ihrer bedient.

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