Ein Dankeschön für diese Themenseite! Jenseits der bekannten Künstler, die hier zu Wort kommen, sieht die Realität noch viel krasser aus. Inzwischen haben 20 Prozent der bildenden Künstler keine Sozialversicherung mehr. Warum? Seit 2008 „räumt die Künstlersozialkasse auf“. Der Vorgang: Überprüfung der tatsächlichen Einkommen per Steuerbescheid. Künstler mit einem Einkommen unter dem Mindestsatz von 3900, Euro fliegen rigoros hinaus. Sie sollen sich dann privat versichern, was schlichtweg doppelt so viel kostet. Gleichzeitig erhebt die Künstlersozialkasse (im Folgenden mit KSK abgekürzt) eine „Künstlersozialabgabe“ von allen Unternehmen, die jemals eine Leistung von Künstlern in Anspruch genommen haben, für fünf Jahre rückwirkend. So kommt es zu der skurrilen Situation, dass das Fränkische Theater in Maßbach, für das ich arbeite, für mich eine Künstlersozialabgabe an die KSK zahlen muss, obwohl ich dort wegen zu geringen Einkommens gar nicht versichert bin. Die Idee einer „Künstlersozialkasse“, einkommensschwache Künstler durch eine günstige Sozialversicherung zu unterstützen, kehrt sich damit um, und die KSK wird zu einem gewinnbringenden Unternehmen für den Staat. Das Nachsehen haben nun alle Künstler, die nicht mehr versichert werden über die KSK, und sich eine private Versicherung nicht leisten können. Das sind die Verlierer, die letztlich ihre Tätigkeit aufgeben müssen und HARTZ IV beantragen, damit sie wieder sozialversichert sind. Berufskünstler werden somit „aus dem Markt gedrängt“, Kunst wird zum Hobby. Nicht gerade rosige Aussichten für Deutschland, in dem der Staat per Grundgesetz einen Kulturauftrag hat. Gleichzeitig muss der Staat ja für diejenigen Künstler, die über HARTZ IV ihre Sozialversicherung abdecken, die Grundsicherung aufbringen. Das kostet am Ende viel mehr als der Zuschuss, den er vorher über die KSK gewährt hatte. Ist das einfach nur Gedankenlosigkeit oder schon Dummheit, den Zuschuss der KSK einzu- sparen, um ihn verzehnfacht über HARTZ IV wieder auszugeben? Mein Antrag auf Wiederaufnahme in die KSK läuft inzwischen seit fünf Monaten ins Leere (obwohl ich alle Bedingungen erfülle) und nimmt zeitweilig kafkaeske Züge an (Nachweis, dass der Nachweis auch nachweislich als Nachweis nachgewiesen werden kann), sodass ich fast geneigt bin, eine Selbsthilfegruppe für KSK-geschädigte Künstler zu gründen.
Peter Picciani, 97631 Bad Königshofen