Jetzt hat es die moderne Krippe in der Retzbacher Wallfahrtskirche tatsächlich auf die Titelseite der Main-Post geschafft – und das völlig zu Recht. Denn sie ist für mich Ausdruck einer interessanten Übersetzung der Weihnachtsbotschaft in die heutige Zeit. Was das Pastoralteam der Pfarreiengemeinschaft Retztal in den Wochen vor Weihnachten in den verschiedenen Gottesdiensten rund um diese „moderne Krippe“ eingebracht hat, war wirklich sehr eindrucksvoll, bewegend und so voll im Leben der Menschen hier bei uns, aber etwa auch im Leben der Flüchtlinge auf der ganzen Welt. Wenn sich einer der kleingeistigen Kommentatoren die Zeit genommen hätte auch nur einen Gottesdienst zu besuchen oder am Livestream mitzuverfolgen, dann hätte sie oder er mitbekommen, dass das weit weg war von Schwachsinn oder Oberflächlichkeit, so wie dies offensichtlich auf der Facebook-Seite zu lesen ist. Für diejenigen, die es gerne so haben wie immer, steht übrigens auch in der Retzbacher Kirche noch eine traditionelle Krippenversion bereit. Aber hilft die altbekannte Form wirklich weiter, jungen, jung gebliebenen oder suchenden Menschen auf eine neue und nachdenklich machende Art, verstehen zu geben, was das Evangelium uns heute für unser Leben sagen kann? Die tollen Gottesdienste und lebendigen Darstellungen, wie vom Retztaler-Team entwickelt, helfen mir jedenfalls weiter, an eine Kirche zu glauben, die sich wirklich bemüht, die aktuellen Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und sich gemeinsam mit ihnen auf den Weg der Linie 2021 zu machen.
Wolfgang Fella, 97737 Gemünden
Die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem war, ist und bleibt ein historisches Ereignis, das man weder relativieren oder gar verfälschen darf. Belegt durch die Erzählungen zweier Evangelisten, vorbereitet und flankiert von biblischen Aussagen des Alten Testaments, ist sie vor allem auch ein metaphysisches Geschehen, das letztlich nur im Glauben fassbar ist. Verfremdungen jeglicher Art, auch wenn sie gut gemeint sein mögen oder sogar provozieren wollen, dürfen im sakralen Bereich keinen Platz haben, schon gar nicht vor dem Altar und unter dem Kreuz Christi, wie das derzeit in der Retzbacher Wallfahrtskirche der Fall ist. Dazu hat kein Priester, der kraft sakramentaler Weihe eigentlich Christus verkörpern soll, das Recht. Krippe und Kreuz gehören zusammen. Vor dem Altar ist stets – besonders jetzt in der Weihnachtszeit – Anbetung und Betrachtung geboten: „Venite adoremus Dominum.“ Und wer will schon hochmodern aufgebrezelte Modepuppen anbeten? Wer meint, mit solchen Mätzchen Leute zum Glauben bringen zu können, befindet sich ganz sicher auf dem Holzweg. Übrigens: Auch die diesjährige futuristische Weihnachtskrippe auf dem Petersplatz in Rom war ein totaler Fehlgriff. Zum Glück hat man immerhin einige der angstmachenden Figuren aufgrund heftiger Proteste der Römer entfernt – schon allein ihrer Kinder wegen.
Ewald F. Rhein, 97225 Zellingen
Ich halte es für eine gute Idee, dass sich der Retzbacher Pfarrvikar – wahrscheinlich gemeinsam mit dem Kirchenvorstand – für die Präsentation der „modernen Weihnachtskrippe“ in Form einer Bushaltestelle entschieden hat. Den Gottesdienstbesuchern und -besucherinnen sollte damit wohl vor Augen geführt werden, dass wir auch heute absolut nicht in einer heilen Welt leben, sondern dass zum Beispiel Tausende von Flüchtlingen in europäischen Camps sowie Obdachlose und Leiharbeiter in unserem Land unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. Im Vergleich dazu waren die Umstände bei der Geburt Jesu in einem Stall möglicherweise noch erträglicher.
Elisabeth Hippe, 97209 Veitshöchheim
Heute würde Jesus in einem Flüchtlingslager zur Welt kommen!
Jürgen Götz, 97084 Würzburg
Kompliment, Bravo und Chapeau! Es gehört Hirn dazu, Weitsicht und Mut, für solch eine gelungene Krippendarstellung. Was eine gute Krippendarstellung angeht, da habe ich mich im ersten Moment gefreut, denn die Retzbacher haben diesbezüglich seit Jahrzehnten ein gutes Gespür – zumindest was ihre eigene Gestaltung angeht. Doch ein offener Brief!? Frage: Der gestrigen Zeit hinterher oder weit voraus? Nein, gelungen und mittendrin, so meine ich! Seit 2000 Jahren haben sich Millionen Menschen weltweit gedanklich in die Zeit versetzt, was wohl wäre, wenn Jesus heute zu uns kommen würde. Wie würden wir/sie ihm begegnen? Nicht nur als Retzbacherin bin ich stolz auf diese Art der Umsetzung und das Mitgefühl der Gestalter und spreche ihnen ein dickes Kompliment aus. Die moderne Darstellung spiegelt eine Situation/Station im Leben wider. Hektik für „schnell noch…“, Stress/Haltestelle/ eine Bank für kurzfristige Ruhe/Rast. Im Hintergrund drängt sich der spontane Gedanke einer Fahrplantaktung oder schwierigen Wohnungsfindung von heute auf. Was den Kommerz angeht, so ist es heuchlerisch, sich über eine Einkaufstüte aufzuregen, wo jeder weiß, dass es diesen seit vielen Jahrhunderten gibt – gleichwohl scheint es aber, dass der eigentliche Sinn von Weihnachten auf der Strecke geblieben ist. Das Warum steht hier als großes Fragezeichen bildlich im Raum – das will uns diese Krippe vermitteln.
Sigrid Oestemer, 97225 Retzbach
Herr Wildmeister irrt, wenn er an „die Kirche“ appelliert, neue Wege zu gehen und das speziell mit einer Installation in der Wallfahrtskirche „Maria im grünen Tal“ verknüpft, die den untauglichen Versuch darstellt, den Ausgangsgedanken der Ur-Krippe in die Neuzeit zu übertragen. Nicht nur weihnachtliche Kindheitserinnerungen werden durch das Narrativ der Heiligen Nacht glorifiziert, sondern die Mehrheit des gesamten Kirchenvolkes sieht in der Krippe die Versinnbildlichung der christlichen Hoffnung, eine kleine notleidende Familie, die in einer zerfallenen Scheune Ursprung und Vollendung erfuhr und dieses strahlende Ur-Licht, verbunden mit der frohen Botschaft in alle Himmelsrichtungen sandte! Ein unverändert junges und ewig zeitgemäßes Motiv! Es gibt kein ausdrucksstärkeres Bild, das trotz der Armseligkeit und Hilfsbedürftigkeit der gegebenen Umstände Wärme, Schutz und Behaglichkeit ausdrückt. Dieses Bild des Ur-Friedens irrlichternd zu reformieren, aus einer Laune heraus durch den Charme eines Kühlhauses zu ersetzen, wirkt befremdlich. Die Vertreibung aus dem Paradies! Teile des „modernen“ Klerus signalisieren zunehmend öfter Wandlungsbereitschaft in der Wahngewissheit ihrer Primäraufgabe als wieder erwachter Menschenfischer gerechter zu werden. Die Kirche jedoch kann nicht als Pfand ihre unantastbare Seele auf dem Markt der Beliebigkeit zur Schau stellen. Das wirkt toxisch. Die ewige Suche der Menschheit nach Geborgenheit wird Ihrem Kunstsinn im Wege stehen, Herr Pfarrvikar!
Bernhard Schlögl, 97074 Würzburg