Die Unterüberschrift des Leitartikels wirft dem Freistaat Bayern bzw. der ihn führenden Staatsregierung wörtlich vor, die ab Januar beabsichtigte Regelung „2G für Teenager“ e r p r e s s e Eltern. Mit Ihrer Wortwahl postulieren Sie unverblümt, die Staatsregierung begehe eine schwere Straftat. „Erpressung“ ist nämlich nämlich gemäß Paragraf 253 StGB ein Delikt, das, wenn sich zu ihrer Begehung mehrere Personen zusammenschließen, als Verbrechen zu bewerten ist (vergleiche Paragrafen 253, 12 StGB). Dass im Kontext schon definitionsgemäß nicht von „Erpressung“ gesprochen werden kann, weil dieser Straftatbestand fremdes Vermögen schützt, sei nur am Rande angemerkt.
Vielleicht wollten Sie ausdrücken, die Staatsregierung „nötige“ Eltern. Aber auch mit diesem Vorwurf, der ebenfalls ein strafbares Verhalten zu Grunde legen würde, lägen Sie völlig falsch.„Nötigung“ setzt gemäß Paragraf 240 StGB ausdrücklich voraus, dass Menschen „mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung“ veranlasst wird u n d die Drohung „zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist“. Wo im Kontext der staatlichen Seuchenbekämpfung juristisch von „Gewalt“, „Drohung mit einem empfindlichen Übel“ oder gar von „verwerflicher (!) Zweck-Mittel-Relation“ gesprochen werden könnte, verlautbart der Leitartikel nicht. Damit ist festzuhalten, dass der Leitartikel in sprachlich unhaltbarer Weise die Sache der Impfgegner und der Pandemiemaßnahmen-Kritiker befeuert.
Wollten Sie einwenden, das Verb „erpressen“ sei „nur“ umgangssprachlich verwendet, so würden Sie die herausgehobene journalistische Bedeutung des Leitartikels verkennen, in dem (auch umgangssprachliche) Nachlässigkeit keinen Platz hat: „Leitartikel“ ist der Hauptartikel, ein „besonders herausgestellter Meinungsartikel“, der sich „abseits von tagesaktueller Aufgeregtheit“ (!) auf „grundsätzliche Art“ mit (eingetretenen oder bevorstehenden) Entwicklungen befasst. Den Schreibauftrag für den Leitartikel erhält dasjenige Redaktionsmitglied, das „am kompetentesten“ die „Meinung der Redaktion wiederzugeben vermag“. Anders als bei den ungelenken Schreibversuchen von Pennälern in ihrer Schülerzeitung ist in Qualitätsblättern der Leitartikel „insgesamt das Aushängeschild der Redaktion“ (Zitate aus Wikipedia, Stichwort „Leitartikel“). Diesem hohen journalistischen Anspruch wird der heutige „Leitartikel“ nicht gerecht.
Peter-Georg Kriener, 97337 Dettelbach