Zum Schluss der Pressekonferenz im ehrwürdigen "Löwenscher Saal" des Stralsunder Rathauses lässt der Präsident die Form einfach mal beiseite. Da ist nicht mehr von der Kanzlerin oder von Frau Merkel die Rede: "Wie Angela schon erwähnt hat", sagt George W. Bush plötzlich und lächelt verstohlen in ihre Richtung. Sie ist also für den Präsidenten tatsächlich die Angela. Das zeugt von Vertrauen. Vertrauen, das sich in nur kurzer Zeit zwischen den beiden aufgebaut hat, seit Merkel ins Kanzleramt eingezogen ist.
Die Konfliktherde dieser Welt sind jedoch vielfältig und heikel, und sowohl Bush als auch Merkel geben ein ambitioniertes, weil schwer zu erreichendes Ziel vor: Sie wollen gemeinsam "Tyrannen und Diktatoren dieser Welt in Schranken halten". Das sagt Angela Merkel wohlgemerkt. Dabei ist es eigentlich die Sprache des Texaners Bush.
Gelöste Stimmung
Man versteht sich eben, man ist sich sogar sympathisch. Und es ist schon auffällig, wie gelöst die Stimmung zwischen Merkel und Bush in Stralsund ist, im Norden von Mecklenburg-Vorpommern, der ostdeutschen Heimat Merkels. Es wird gescherzt, es wird gelacht, vor allem über das 30-Kilo-Wildschwein, das die Kanzlerin bei einer eher intimen abendlichen Grillparty dem Präsidenten servieren lässt. Er freue sich auf das Schwein, "ich werde ihnen morgen sagen, wie es geschmeckt hat", schmunzelt Bush. "Jedenfalls ist es schon erlegt, ein Fernsehteam war dabei", scherzt Merkel zurück.
"Ausgesprochen freundlich und konzentriert", verrät Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Rande, sei es auch schon beim anderthalb Stunden Gespräch der Delegationen im Amtszimmer des Stralsunder Bürgermeisters zugegangen. "Im Schnelldurchmarsch", so Steinmeier, habe man dabei fast über sämtliche Krisenherde der Welt gesprochen; außerdem über den Welthandel und die Energiepolitik im Vorfeld des am Wochenende beginnenden G-8-Gipfels in St. Petersburg.
Einigkeit stellt man bewusst zur Schau. Man will künftig zusammen mit Russland und China mehr "mit einer Stimme sprechen", sagt Bush. Er schätze dabei sehr die Meinung der Bundeskanzlerin. Mit Blick auf die gewalttätige Eskalation im Nahen Osten warnt Merkel davor, Ursache und Wirkung der Auseinandersetzung zu verwechseln. "Israel hat das Recht, sich zu verteidigen", hebt Bush hervor. Gleichzeitig erhöhen beide den Druck auf den Iran: Im Atomkonflikt habe das Land ein "fundamentales Angebot" der Staatengemeinschaft erhalten. Sollte der Iran weiterhin nicht reagieren, werde man "andere Wege" einschlagen müssen. Nordkorea und die Lage im Sudan sowie im Kongo standen ebenso auf der Tagesordnung.
Heimspiel auf dem Markplatz
Vor dem Rathaus spielen diese weltpolitischen Probleme keine Rolle. Es hat den Anschein, als habe der Präsident auf dem Alter Markt in der historischen Mitte Stralsunds ein Heimspiel. Als seine Limousinen vorgefahren kommen, brandet Jubel und Applaus auf, US-Flaggen werden geschwenkt, auch wenn die geladenen Zaungäste die Fahnenstangen aus Sicherheitsgründen vorher abgeben mussten. Das Heeresmusikkorps Neubrandenburg spielt zur Begrüßung einen Militärmarsch aus der Zeit Friedrich des Großen.
Das gefällt dem Gast. Ehefrau Laura und Ehemann Joachim Sauer stehen etwas im Hintergrund, als Bush und Merkel bei strahlendem Sonnenschein ein Bad in der Menge genießen, insbesondere die Kanzlerin wirkt ausgelassen und fröhlich. Zu vielen Bürgern sagt Bush sogar ein paar Worte. "Belangloses Zeug", erinnert sich danach Franz Tscherney.
Dass der Präsident später in seiner Rede, die er mit einem fröhlichen "Guten Morgen" beginnt, behauptet, Ostdeutschland habe jahrzehntelang in "Dunkelheit und Tyrannei" gelebt, nimmt Tscherney ihm nicht allzu übel. "Wohl etwas übertrieben. Wir haben aber auch gelebt."

Fischhändler Henry Rasmus hüpft derweil von einem Bein aufs andere. Der Mann in weißer Latzhose und im klassischem Seemannshemd hält ein traditionelles Gastgeschenk für den Staatsmann in der Hand: ein Holzfass mit 80 eingelegten Bismarckheringen, eine Spezialität aus Stralsund. "Very good", grinst Bush und hebt den Arm gleich so, als ob er am liebsten einen Fisch verschlingen möchte. "Wonderful", freut sich First Lady Laura.