In welchem Maße soll Medizin nutzen, was darf Gesundheit kosten? Und wo sehen die Bürger die Grenze zwischen privater Verantwortung und solidarischer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung? Diesen Fragen ist das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) jetzt in der neuen Delphi-Studie nachgegangen. Zentrale Ergebnisse: 77 Prozent der Befragten sind der Meinung, ihre Situation habe sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Und auch wenn die Mehrheit der Meinung ist, die Gesundheitspolitik solle sich vorrangig um die Senkung der Beiträge kümmern: Dass die Kassenbeiträge wirklich zurück gehen, das erwartet nur jeder Zehnte.
Für die Studie, die das forschende Arzneimittelunternehmen Janssen-Cilag in Auftrag gegeben hat, interviewten die Meinungsforscher von TNS-Emnid in diesem Frühjahr eine repräsentative Stichprobe von über 1000 Bundesbürgern. Das Besondere daran: Die Studiengestalter ermittelten mit einer neuen Methodik erstmals in Deutschland, welchen Wert die Bevölkerung bestimmten Elementen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung beimisst. So fragten sie zum Beispiel, wie viel Geld man den Versicherten bieten müsse, damit sie die Einschränkung ihrer Arztwahl auf bestimmte mit ihrer Krankenkasse vertraglich verbundenen Praxen akzeptierten. Und sie wollten wissen, wie stark die Beiträge sinken müssten, damit die gesetzlich Versicherten auf bestimmte medizinische Leistungen verzichten würden.
"Die Deutschen haben eine leidenschaftliche Liebe zur freien Arztwahl", kommentiert Studienleiter Hans-Dieter Nolting das Ergebnis. Die Freiheit, sich den Arzt aussuchen zu können, ließen sich die Befragten nur gegen einen kaum realistischen Betrag "abkaufen": Die Beiträge müssten um mindestens 260 Euro im Jahr sinken, umgerechnet über 17 Prozent. Eine Beitragsrückgang von rund acht Prozent würden die Befragten erwarten, wenn sie in der Arzneimittelwahl eingeschränkt würden oder nicht immer in das nächst gelegene Krankenhaus eingewiesen würden.
In bestimmten Fällen aber sind die Versicherten durchaus bereit, mehr Beitrag zu zahlen: Durchschnittlich 125 Euro mehr im Jahr würden sie gerne leisten, wenn die Kasse dafür sofort neuartige Behandlungen zahlt, sobald diese zugelassen sind. "Diese Bereitschaft ist eine wichtige Botschaft", findet Nolting. Auf Fortschritt zu verzichten und Leistungen auszugliedern, um die wachsenden Ausgaben der Kassen einzudämmen diese Politik fände nur wenig Rückhalt in der Bevölkerung, folgern die Autoren der Studie.