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WÜRZBURG: "Die Spaltung in den USA ist so tief wie nie zuvor"

WÜRZBURG

"Die Spaltung in den USA ist so tief wie nie zuvor"

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    Jennifer Gavito
    Jennifer Gavito Foto: Foto: Theresa Müller

    Jennifer Gavito ist nach drei Jahren als Generalkonsulin in München als gesandte Botschaftsrätin für politische Angelegenheiten nach London gegangen. Sie ist damit dort politische Chefin der US-Botschaft in Zeiten des Brexit. Ihren Abschiedsbesuch in Würzburg absolvierte sie auf der Landesgartenschau.

    Frage: Die USA sind sichtbar in sich gespalten – Liberale und Konservative scheinen einander nur noch zu beschimpfen.

    Jennifer Gavito: Sie haben recht, die Spaltung in den USA ist so tief wie nie zuvor. Ich selbst bin im Mittleren Westen aufgewachsen, einem eher konservativen Gebiet, und habe in Washington DC studiert und gearbeitet, das ist eher liberal. Mit einem Blick auf die Wahl-Landkarten – rot für die Republikaner in der Mitte, blau für die Demokraten an den Küsten – erkennt man vielleicht geografische Tendenzen. Aber das wesentliche Problem ist, dass Menschen nicht miteinander reden und was noch wichtiger ist, nicht mehr genug den gegenseitigen Sichtweisen zuhören. Viele greifen dann in den Sozialen Medien auf extreme Positionen zurück, anstatt in Betracht zu ziehen, was man einander zu sagen hat.

    Wir sehr schlägt sich die Spaltung in der US-Gemeinde in München und in Bayern nieder?

    Gavito: Hier in Bayern ist das anders. Wir sind ein bisschen von den ganzen Diskussionen abgegrenzt. Obwohl es natürlich jeden von uns betrifft, ist das alles nicht so präsent. Amerikaner in Bayern schauen wahrscheinlich nicht zwei Stunden am Tag Fox News oder MSNBC. Aber ich sehe natürlich auch, wie simpel und polemisch die Auseinandersetzungen in den Sozialen Medien geworden sind. Was mich auch stört: Es gibt sehr viele Menschen, die Dinge posten, die zu 100 Prozent falsch sind – und das auf allen Seiten. Mit dieser Mentalität ist irgendwie verloren gegangen, dass wir voneinander erwarten, mit Fakten zu arbeiten.

    Haben die Eliten es versäumt, die Menschen mitzunehmen, die es nicht gewohnt sind, etwa wissenschaftliche Erkenntnisse zu akzeptieren?

    Gavito: Bestimmt. Ich gebe da immer ein Beispiel: Es hat in Deutschland viele Leute überrascht, dass Trump gewonnen hat. Aber für Leute in Iowa etwa, die keinen Job mehr haben, weil die Fabriken geschlossen wurden, waren zum Beispiel langfristige Umweltschutzziele kein Thema – sie mussten sich auf die täglichen Probleme konzentrieren. Die Sicht auf diese Menschen ist vielen Politikern beider Seiten in Washington verloren gegangen. Und da hat Donald Trump viel Unterstützung gewonnen. Er hat gesagt, ich höre zu. Ich verstehe, dass es dir nicht gut geht. Das wollten die Leute.

    Sie haben viel von der Welt und von Deutschland gesehen. Was an Deutschland verstehen Sie bis heute nicht wirklich?

    Gavito: Meine ersten Erfahrungen in Deutschland habe ich mit 15 gemacht. Und ich habe als Erwachsene mehr Jahre in Deutschland verbracht als in den USA. Ich verstehe also fast alles.

    Also war die Frage falsch gestellt?

    Gavito: Ich würde mir wünschen, dass man hier vernünftiges mexikanisches Essen findet. Mais, Karotten – das gehört nicht dazu (lacht). Wenn es um größere Fragen geht, würde ich den Datenschutz nennen. Da kommen wir zu oft noch aus unterschiedlichen Richtungen, auch wenn wir immer besser zusammenarbeiten. Die USA sind da weit vorne, wenn es um Innovation geht. Die Deutschen kommen von der Nachkriegs- und der Stasi-Zeit her, die Amerikaner von 9/11.

    Je mehr Daten einsehbar sind, desto größer die Sicherheit?

    Gavito: Das Pendel geht auf beiden Seiten Richtung Mitte. Wir sind auch in den USA nicht mehr auf dem Standpunkt von 2002/2003, als mit dem Patriot Act fast alles erlaubt war. Und die Deutschen kommen auch immer mehr dazu, Soziale Medien und Online-Shopping zu nutzen.

    Die deutsche Liebe zum Datenschutz ist also ein Innovationshindernis?

    Gavito: In manchen Fällen vielleicht. Aber dies ist vielleicht nicht die beste Zeit, um über das Thema zu reden (lacht). Man sieht aktuell bei Facebook, dass es Gefahren gibt. Aber die Sozialen Netzwerke spielen eine sehr wichtige und oft auch positive Rolle, das haben wir etwa beim Arabischen Frühling gesehen.

    Sie sind viel an deutschen Schulen und Universitäten unterwegs. Welches Bild der USA spiegeln Ihnen die jungen Leute?

    Gavito: Auf der kulturellen Ebene sind sie immer noch sehr begeistert – Filme, Musik und all das. Auf der politischen Ebene gibt es seit Jahren eine wachsende Skepsis, das hat aber nicht nur mit dieser Regierung zu tun. Sondern damit, dass Deutschland heute auf eigenen Beinen steht und eigene Positionen der Welt gegenüber vertritt. Das finde ich super. Sie sind so gut informiert, dass sie gezielt über bestimmte Aspekte unserer Syrien- oder Afghanistan-Politik fragen können. Sie wollen wissen, warum wir uns hier oder dort engagieren – Fragen, die sie auch an ihre eigene Regierung richten. Aber da sind wenig Vorurteile, und die Diskussion ist weit weniger emotional als in Amerika. Deutschland kann auf seine jungen Leute sehr stolz sein.

    Jennifer Gavito war seit 2015 US-Generalkonsulin in München. Stationen davor waren Jerusalem, Stuttgart, Dubai und das Weiße Haus.

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