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Berlin (dpa): Schokomilch macht "geistig fit"? Foodwatch mahnt Landliebe ab

Berlin (dpa)

Schokomilch macht "geistig fit"? Foodwatch mahnt Landliebe ab

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    Ärzte, Wissenschaftler und Elternvertreter appellieren zum Verzicht von Kakao im Schulmilchprogramm.
    Ärzte, Wissenschaftler und Elternvertreter appellieren zum Verzicht von Kakao im Schulmilchprogramm. Foto: Roland Weihrauch (dpa)

    Der Molkereikonzern Landliebe und die Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen stellen gesüßte Schulmilch trotz ihres Zuckergehalts als gesund dar - und bedienen sich dabei unerlaubter Werbeaussagen. Beispielsweise, dass Schokomilch "geistig fit" mache. Zu diesem Ergebnis kommt eine juristische Prüfung durch foodwatch. Die Verbraucherorganisation hat den größten Schulmilchlieferanten sowie den nordrhein-westfälischen Lobbyverband der Milchwirtschaft abgemahnt und aufgefordert, die Werbung zurückzuziehen.

    Gesundheitsaspekt zog Landliebe ins Schulmilchprogramm

    Mit den Gesundheitsbotschaften rücken Landliebe und die Vereinigung gezuckerte Milchmischgetränke wie den Kakao in ein positives Licht und bewerben diese gezielt bei Eltern oder Schulen. Nach Angaben des Landes Brandenburg waren die Gesundheitsaussagen der Molkerei sogar eine Grundlage für die Entscheidung, beim Schulmilchprogramm entgegen den offiziellen Ernährungsstandards weiterhin gezuckerte Milchgetränke mit Steuergeldern zu fördern. Die mit Landliebe verflochtene Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW ist sogar der zentrale Partner des Landes Nordrhein-Westfalen beim Schulmilchprogramm, sie wird von der Landesregierung in die Schulen geschickt, um dort Unterricht und Werbung für Milchprodukte zu machen und erhält dafür zusätzliche Steuergelder.

    Foodwatch: "Unseriöse Mittel"

    "Die Kindergesundheit ist offenbar nur noch ein Kollateralschaden des Profitstrebens von Landliebe und der übergriffigen Absatzförderung von Milchlobbyisten. Wem jedes unseriöse Mittel recht ist, um weiterhin am Verkauf von zuckrigem Schulkakao an den Schulen zu verdienen, kann kein Partner für die Landesregierungen sein", kritisierte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Er forderte NRW, Berlin und Brandenburg auf, keine Lobbyverbände mehr mit der Unterrichtsgestaltung zu beauftragen und die Subventionen für gezuckerte Milchgetränke zu stoppen. Die anderen Bundesländer fördern, wenn überhaupt, nur noch ungesüßte Trinkmilch. Zuletzt hatte Hessen auf die Kritik an der Zuckersubvention reagiert und angekündigt, gesüßten Kakao aus der Förderung zu streichen.

    "Kakao steigert die Intelligenz"

    In einer Elternbroschüre stellt Landliebe dar, dass Schüler durch den Verzehr der gezuckerten "Schokomilch" in den "Bereich optimaler geistiger Leistungsfähigkeit" gelangten. Im Internet behauptet das Molkereiunternehmen: "Kakao steigert die Intelligenz" und "Kakao zum Frühstück verursacht weniger Karies als Wasser". Diese Aussagen hatte das Unternehmen auch per Newsletter an Entscheidungsträger geschickt. Die für das Schulmilchprogramm zuständige Behörde in Brandenburg gab gegenüber foodwatch an, auch auf Basis dieser angeblichen Studienergebnisse entschieden zu haben, dass das Land weiter an der Förderung von gezuckerten Schulmilchprodukten festhält, obwohl die aus einem EU-Topf stammenden Zuschüsse nach den Vorgaben der EU grundsätzlich nur für ungesüßte Produkte verwendet werden sollen.

    Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW wiederum behauptet auf Internetseiten unter anderem, dass gezuckerte Schokomilch den Blutzuckerspiegel "optimal beeinflusst" und Milchprodukte die Zähne "schützen". Der Lobbyverband ist der wesentliche Partner des Landes NRW bei der Umsetzung des Schulmilchprogramms: Er erhält Steuergelder, um in den Schulen Ernährungsunterricht zu gestalten, Lehrmaterialien zu erstellen und um Schulen, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern zu einer Teilnahme am Schulmilch- und Schulkakaoprogramm zu bewegen.

    Zahlreiche Ärzte klar gegen die Abgabe von gezuckerter Milch an Schulen

    Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführenden oder falschen Werbeversprechen müssen gesundheitsbezogene Werbeaussagen seit 2012 durch EU-Behörden genehmigt werden - erlaubt sind derzeit rund 250 solcher "Health Claims". Die von foodwatch abgemahnten Werbesprüche der Milchwirtschaft gehören nicht dazu. Ohnehin basieren die Aussagen im Wesentlichen auf einer kleinen Zahl wissenschaftlich höchst fragwürdiger Studien im Auftrag der Milchwirtschaft. Demgegenüber sprechen sich zahlreiche Zahnmediziner, Kinderärzte und Ernährungsexperten klar gegen die Abgabe von gezuckerter Milch an Schulen aus.

    foodwatch forderte die nordrhein-westfälische Umweltministerin Ursula Heinen-Esser auf, die von ihr angekündigte "Elternbefragung" zur Schulmilchförderung so auszugestalten, dass Eltern ihre Bedürfnisse zur Unterstützung einer ausgewogenen Ernährung der Kinder an den Schulen äußern können. Die Elternbefragung sei eine Chance um herauszufinden, wo die Not am größten ist. Allerdings muss das Land auch dazu bereit sein, die nötigen Mittel bereitzustellen - anders als bisher."

    Der Landliebe-Schulkakao enthält in der fettarmen Variante 21,7 Gramm Zucker in einer Tagesportion (250-Milliter) - das entspricht umgerechnet mehr als 7 Stück Würfelzucker. Die ungesüßte, fettarme Trinkmilch enthält demgegenüber 12 Gramm Milchzucker pro Tagesportion.

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